Archive sind wahre Fundgruben für Menschen, die sich für Geschichte interessieren. Die wissen wollen, wie es damals war. Am Wochenende präsentieren sich viele dieser Fundgruben am bundesweiten Tag der Archive. Ein Überblick über die Angebote in Bremen-Nord.
In den Archiven schlummern Akten und Dokumente, Urkunden und Briefe, Fotografien und Landkarten, Bücher und Texte aus längst vergangenen Tagen. All diese Materialien und Unterlagen haben geschichtsbewusste Menschen zusammengetragen, gesammelt und übersichtlich geordnet.
In Schränken und Schubladen lagern Gegenstände und Schriftstücke und geben Auskunft über „ole Tieden“. Am Wochenende erinnert der „Tag der Archive“ daran, dass jeder Bürger nachschlagen kann in den Zeugnissen der Geschichte, ohne die er die Gegenwart nicht verstehen und bewerten kann.
1911 wurde der „Heimat- und Museumsverein für Vegesack und Umgebung“ gegründet. Seit 1972 sammeln seine Mitglieder Dokumente und Sachzeugnisse zur Geschichte Bremen-Nords und seiner Ortsteile. Sie lagern im Schloss Schönebeck. „Uns interessiert der gesamte Umkreis von Schönebeck und Grohn, von Hammersbeck, Fähr-Lobbendorf und Vegesack“, erklärt Archiv-Leiterin Irene Boschen. Dazu gehört auch ein kleines Pressearchiv. „Seit langem schneiden wir Artikel aus, die über interessante Ereignisse aus dieser Region berichten.“
Im Schloss Schönebeck sind zudem Erinnerungsstücke aus der Schifffahrt und dem Walfang zu sehen. Der Nachlass des Afrika-Forschers Gerhard Rohlfs ist hier aufgehoben. Daneben Dokumente über den Vulkan und die Lürssen-Werft. Irene Boschen schildert: „Alte Urkunden und Briefe von Privatpersonen – die älteste stammt aus dem Jahre 1720 – werden zurzeit in gängige Schrift übertragen. Das ist nicht ganz einfach, weil viele die alten Handschriften nicht mehr lesen können.“ Zusätzlich werden alte Fotos und Dias digitalisiert.
Die Stadtteilgeschichte hat auch die „Internationale Friedensschule“ im Blick. Diese Einrichtung ist 1980 aus der Arbeit der Stadtteilprojekte im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus hervorgegangen. Gerd Meyer setzt drei inhaltliche Schwerpunkte: die Industrie- und Sozialgeschichte im Bremer Norden, die Wunden der NS-Zeit und der heutige Tourismus in der Unterweser-Region. Prägend für die Menschen in Vegesack waren Aufschwung und Niedergang der Fischerei-Gesellschaft und des Bremer Vulkan. Gegenwärtig müssen noch 2000 Fotos aus dieser Zeit ausgewertet werden.
Zur Erinnerungskultur gehören der Bunker Valentin, Zeugnisse über die Schicksale von Menschen in der NS-Zeit sowie das Leben und Wirken der jüdischen Gemeinde. „Über all das gibt es Literatur, Schriftdokumente und Fotos, mit denen Schülergruppen praxisnah in Projekten arbeiten können“, erklärt Meyer. „Wir wollen eine Schleusenfunktion übernehmen für interessierte Leute. Ihnen stellen wir das Material zur Verfügung, mit dem sie sachlich fundiert arbeiten können.“
Aus einem „kritischen sozialgeschichtlichen Blickwinkel“ betrachtet auch das Stadtteilarchiv des Doku Blumenthal die „Lokalgeschichte“. Angela Stocks leitet das „stadtteilgeschichtliche Dokumentationszentrum“. Sie hat sich besonders mit Frauen in der Geschichte Blumenthals beschäftigt, so mit der Reformpädagogin Tami Oelfken, die nicht nur „Dichterin an Strom und Deich“ war, sondern auch die „Fahrt durch das Chaos“ der Kriegszeit in einem Logbuch beschrieben hat.
Stocks hat sich immer wieder auf Spurensuche begeben, wie sie sagt. „Wir haben einen Arbeitskreis mit Frauen gegründet, die ihre Kinder- und Jugendzeit im Nationalsozialismus verbracht haben und sich noch an die Zeit erinnern können.“ Dazu wurden alte Kalender, Originale der damaligen Zeitung, Fotos und Briefe gesammelt. Und nun bemüht sich das Doku, diesen Aspekt der Stadtteilgeschichte in einem Erzählcafé, durch Vorträge und Ausstellungen der Öffentlichkeit nahezubringen.
Im Kahnschifferhaus, einem „mit alten Techniken und Materialien restaurierten Zweiständerhaus“, lagern seit 1948 viele Unterlagen über das gesellschaftliche Leben in Farge und Rekum, zwei Orte, die bis ins 19. Jahrhundert hinein bäuerlich geprägt waren. Die Urkunden, Schriftstücke sowie alte Flur- und Straßenkarten mit den durchnummerierten Häusern haben die Mitglieder des „Heimatvereins Farge-Rekum“ über die Jahre zusammengetragen, erzählt der Vorsitzende Wolfgang Kobbe. Gerhard Scharnhorst und Arnd Wessels zeigen sie den Besuchern an jedem ersten und dritten Donnerstag im Monat in der Zeit zwischen 18 und 20 Uhr. Dabei komme es häufig zu einem „fruchtbaren Erfahrungsaustausch“ zwischen Gästen und Heimatkundlern, so Kobbe.
Im Heimathaus an der Straße Alter Schulhof ist das Archiv des Heimat- und Verschönerungsvereins Lesum untergebracht. Dort finden sich viele ausgewählte Erinnerungsstücke und Nachlässe unter anderen von Baron Knoop. Aufbewahrt wird beispielsweise ein Schriftverkehr zwischen dem Geige spielenden Sohn des Barons mit einer englischen Geigenbaufirma über ein neues Instrument.
Die heimatkundliche Bibliothek enthält Verträge und Urkunden, Zeitungsartikel und Postkarten, sowie ein reichhaltiges Bildmaterial mit über 6000 Dias, die zeigen, wie sich das Ortsbild in den vergangenen 200 Jahren gewandelt hat. In einem alten Haushaltungsplan aus dem Jahre 1912 gibt der Gemeindevorsteher Segelken Rechenschaft über die Einnahmen und Ausgaben des Ortes, über Pachten und Mieten für die Wohnung des Amtsrichters und des Gendarmen. Zurzeit sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter dabei, besonders die Fotos und Dias zu digitalisieren.
Hier geht es nicht um Heimatgeschichte: An der Jacobs University ist das 2001 gegründete Medienarchiv der Günter-Grass-Stiftung angesiedelt. Es verfügt nach Angaben von Sonja Bohllayb über nahezu alle audiovisuellen Zeugnisse über den Literatur-Nobelpreisträger. Die ab 1955 zusammengetragenen 2500 Dokumente stehen aber überwiegend nur für Forschungszwecke zur Verfügung.
Und schließlich können sich autorisierte Studenten für ihre wissenschaftliche Arbeiten im Bauaktenarchiv Bremen-Nord über Standort und Aufteilung von „baurechtlich genehmigten Gebäuden“ in der Region informieren.
Archive in Bremen-Nord
n Archiv des Heimat- und Verschönerungsvereins Bremen-Lesum, Alter Schulhof 11, dienstags von 15 bis 17 Uhr (Edith Ostendorff, Telefon 63 46 76).
n Heimat- und Museumsverein für Vegesack und Umgebung, Im Dorfe 3 (Schloss Schönebeck), dienstags von 15 bis 17 Uhr, (Irene Boschen, Telefon 62 34 32).
n Internationale Friedensschule – Stadtteilarchiv Bremen-Nord, Kirchheide 49, donnerstags 10 bis 13 Uhr / nach Vereinbarung (Gerd Meyer, Telefon 66 21 15).
n Stadtteilarchiv Dokumentationszentrum Blumenthal, Heidbleek 10, nach Vereinbarung (Angela Stocks, Telefon 60 39 079).
n Heimatverein Farge-Rekum, Unterm Berg 31, jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat 18 bis 20 Uhr und nach Vereinbarung (Wolfgang Kobbe, Telefon 60 56 40).
n Medienarchiv der Günter-Grass-Stiftung c/o Jacobs University, nach Vereinbarung (Sonja Bohllayb, Telefon 200 48 38).
n Bauaktenarchiv im Stadthaus, Gerhard Rohlfs-Straße 62, montags 9 bis 12 und donnerstags 9 bis 12 sowie 15 bis 18 Uhr).
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