Jedes Jahr landen knapp eine Million Zigarettenstummel auf Bremens Straßen. Das schätzt die Stadtreinigung. Sie geht davon aus, dass die Bremer zwei Drittel aller Zigaretten, die sie rauchen, auf den Boden schnipsen. Um dagegen vorzugehen, hat Bremen einen Ordnungsdienst ins Leben gerufen. Seit Oktober 2018 sollen 18 Kräfte neben weiteren Aufgaben auch darauf achten, dass weniger Zigarettenreste die Stadt verschmutzen.
Neben der Polizei können auch die Mitarbeiter des neuen Dienstes diese Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld ahnden. Wer erwischt wird, wie er eine Zigarettenkippe wegwirft, muss in Bremen 20 Euro zahlen. Deutlich weniger als in anderen Städten. Die Innenbehörde prüft deshalb aktuell, ob es sinnvoll ist, die Strafe zu erhöhen. Doch ob die Maßnahmen in Bremen überhaupt eine Wirkung zeigen, ist mehr als ein Jahr nach ihrer Einführung noch vollkommen unklar.
„Das Problem ist in Bremen – wie in allen Großstädten – insbesondere in stark frequentierten städtischen Bereichen offenkundig“, sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des Innenressorts. Antje von Horn, Sprecherin der Stadtreinigung, betont ebenfalls: „Zigarettenstummel sind kein kleines Ärgernis für uns.“ Die Reste enthalten Giftstoffe wie Nikotin, Arsen, Blei, Chrom, Kupfer und Schwermetalle wie Cadmium. Durch das Regenwasser gelangen die Substanzen in die Erde und schaden der Umwelt. Der BUND schätzt, dass eine Zigarettenkippe etwa 40 Liter Grundwasser verunreinigt. Die Zigarettenreste können auch Tiere vergiften. Vor allem Vögel verwechseln die Partikel mit Nahrung und nehmen die Giftstoffe auf. Wie bekommt Bremen das Problem in den Griff?
Anzahl an Bußgeldbescheiden unbekannt
„Es kommt durchaus vor, dass die Betroffenen auf frischer Tat ertappt werden“, sagt Gerdts-Schiffler. Die Raucher würden von den Mitarbeitern des Ordnungsdienstes darüber informiert, dass sie rechtswidrig gehandelt hätten. Dann müssten sie ihren Zigarettenrest aufsammeln und in einem Mülleimer entsorgen. Anschließend würden sie zur Kasse gebeten. Wie viele Bußgeldbescheide die Mitarbeiter ausgesprochen haben und wie viel Geld Bremen durch die Kontrollen eingenommen hat, weiß allerdings niemand so genau. Das Umweltressort ist die zuständige Behörde. Sie ist dafür verantwortlich, Ordnungswidrigkeiten nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zu verfolgen. Dazu zählt auch das Wegschmeißen von Zigaretten.
Doch bislang erfasst die Behörde nicht gesondert, wie oft die Bremer dafür haften müssen. „Eine Einzelstatistik könnte nur mit erheblichem zeitlichen Aufwand erstellt werden“, heißt es. Auch ist unklar, ob die Maßnahmen die Raucher abschrecken, ihre Zigaretten wegzuwerfen. „Inwieweit die Präsenz des Ordnungsdienstes in der Innenstadt eine präventive Wirkung entfaltet, ist schwer einzuschätzen“, sagt Gerdts-Schiffler, „es ist schließlich nicht messbar, wer ohne derlei Präsenz die Zigarettenkippe rechtswidrig entsorgt hätte.“
Kritik kommt von der Bremer FDP. Bislang hätten die Maßnahmen wenig bewirkt. „Leider hat sich nichts geändert“, sagt Fraktionschefin Lencke Wischhusen, „wir bemängeln nach wie vor, dass es sich als Normalität einschleicht, Zigaretten auf die Straße zu werfen.“ Vor anderthalb Jahren hatte sich die Fraktion dafür ausgesprochen, das Bußgeld bei 250 Euro anzusetzen. Der Antrag wurde abgelehnt. „Wir wollten die Leute damals wachrütteln“, sagt Wischhusen, „denn Aufklärung und Information ist das eine, aber das reicht ja offensichtlich nicht aus.“ Die Bremer CDU hält dagegen wenig davon, das Bußgeld zu erhöhen und die Summe an Städte wie etwa Berlin anzugleichen, wo 120 Euro fällig werden. „Was nützt ein höheres Ordnungsgeld, wenn die Kontrolle fehlt?“, fragt Martin Michalik, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Er spricht sich stattdessen etwa für mehr Mülleimer im Stadtgebiet aus, von denen es aktuell 3800 in Bremen gibt.
Ein anderer Lösungsansatz kommt aus Berlin. Eine dortige Initiative will einen Zigarettenpfand durchsetzen: 20 Cent pro Zigarette, vier Euro pro Schachtel. Wer die Schachtel samt der Zigarettenstummel zurückgibt, bekommt das Pfand zurück. Die Petition zum Vorschlag hat online fast 60.000 Unterstützer. Die Bundesregierung geht noch einen anderen Weg: Sie will die Tabakindustrie an den Kosten für die Reinigung der öffentlichen Räume beteiligen.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!