Bremen. Immer mehr Güterzüge sollen bald durch Bremen rollen. Grund für die steigenden Waggonzahlen: Die Eröffnung des Jade-Weser-Ports 2012. Da die alten Strecken nicht mehr ausreichen, baut die Bahn ihr Gleisnetz rund um den Hauptbahnhof aus. Dieses Vorhaben kritisiert die Bahnlärm-Initiative Bremen (BIB) seit Jahren. Durch die Entgleisung eines Güterzugs in der vergangenen Woche bekommt die Debatte neuen Aufschwung. Auch die Bürgerschaft befasst sich heute mit dem Thema.
Walter Ruffler ist wütend, sehr wütend. „Wie kann man nach so einem Unfall mit dem Ausbau des Bahnhofs einfach weitermachen“, sagt er. „Und dabei die Gefahr für ein weiteres Unglück noch erhöhen?“ Ruffler ist Mitglied der Bahnlärm-Initiative Bremen (BIB), seit Jahren kämpft das Bündnis gegen einen Ausbau des Hauptbahnhofs für den Güterverkehr.
Etwa 220 Güterzüge rollen derzeit täglich durch Bremen. Wenn der Hafen „Jade-Weser-Port“ in Wilhelmshaven seinen Betrieb vollständig aufgenommen hat, könnten es rund 25 Prozent mehr sein. Weil die bisherigen Strecken für die zusätzlichen Waggons nicht ausreichen, baut die Bahn ihr Gleisnetz rund um den Hauptbahnhof aus. Geplant ist ein weiteres Gleis auf der Strecke zwischen Oldenburg und Bremen, an der sogenannten Oldenburger Kurve hinter dem Güterbahnhof. Zudem soll das Gleis 1 in Richtung der Roonstraße verlängert werden und fortan als Güterzugtrasse dienen.
Ein Großteil der zusätzlichen Züge wird künftig wohl nachts unterwegs sein, weil die Gleise tagsüber bereits durch Personenzüge belegt sind. „Für die Anwohner bedeutet das eine noch stärkere Lärmbelastung“, sagt Ruffler. Um die Geräuschkulisse in der Stadt so gering wie möglich zu halten, kämpft die BIB seit Jahren für eine Alternativstrecke für die Züge des Jade-Weser-Ports: Statt über Bremen könnten diese dann über Cloppenburg und Osnabrück umgeleitet werden. Bestätigt sieht sich die Initiative durch ein entsprechendes Gutachten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt von 2008.
Um die Lärmbelastung durch bestehende Güterzüge zu vermindern, fordert die BIB überdies eine Modernisierung des Fuhrparks sowie einen besseren Lärmschutz an allen Strecken. „Unsere Argumente bekommen durch den Unfall eine neue Dringlichkeit“, sagt Ruffler. „Deshalb hoffen wir, dass sich auch die Politik neu mit dem Thema Güterverkehr auseinandersetzen wird.“
Heute befasst sich die Bürgerschaft mit einem Antrag der Linken vom Januar, darin fordert die Partei, ebenso wie die BIB, den Ausbau des Hauptbahnhofs zu stoppen. Auch die Linke plädiert stattdessen für eine Alternativstrecke. „Natürlich hätte der Güterzug auch auf einer anderen Route entgleisen können“, sagt Klaus-Rainer Rupp, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion. „Trotzdem bekommt die ganze Diskussion um den Ausbau des Hauptbahnhofs dadurch neuen Druck.“
Wichtig ist laut Rupp vor allem, alte und defekte Güterzüge schnellstmöglich aus dem Verkehr zu ziehen. „Die stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar und müssen schleunigst runter von der Schiene.“ In ihrem Antrag fordert die Linke den Senat zudem auf, die Lärmschutzmaßnahmen an Zügen und Gleisen zu verstärken. Denkbar sei zum Beispiel die Einführung sogenannter Flüstersohlen. Diese sollen die Bremsgeräusche von Güterzügen deutlich verringern.
SPD und Grüne haben mit einem Gegenantrag auf die Forderungen der Linken reagiert. Um eine „effektive Hafenhinterlandanbindung für Bremen und Bremerhaven“ zu gewährleisten, sei ein weiterer Netzausbau dringend erforderlich, heißt es darin. Ein Gutachten zur Prüfung möglicher Alternativstrecken laufe bereits.
Walter Ruffler verspricht sich davon wenig: „Prüfen kann man vieles“, sagt er. „Doch wenn das Ergebnis endlich vorliegen wird, ist es vermutlich sowieso zu spät, weil der Ausbau in Bremen dann längst abgeschlossen ist.“
Die Bahn indes hat für die Bedenken der BIB wenig Verständnis. „Das System Eisenbahn ist nach wie vor das sicherste Verkehrssystem“, sagt Sprecher Egbert Meyer-Lovis. Sämtliche Fahrzeuge seien behördlich zugelassen, die Einhaltung aller Richtlinien würde vom Eisenbahnbundesamt ständig geprüft.
Am Hauptbahnhof gehen die Aufräumarbeiten nach der Entgleisung des Güterzuges derweil weiter. Bis Anfang März wird es nach Auskunft der Bahn wohl noch dauern, bis alle Schäden beseitigt sind.