Altstadt/Ostertor. Malena Tara hat eine besondere Beziehung zum Protestantismus: Die 23-Jährige, die am Sonnabend, 12. August, eine Stadtführung zur Geschichte der Reformation in Bremen leitet, ist während ihres Lehramts-Studiums in Bremen von der katholischen zur evangelischen Kirche gewechselt. „Die Stadt ist also der Ort meiner ganz persönlichen Reformation“, sagt die gebürtige Hamburgerin, die heute in Göttingen protestantische Theologie studiert.
Bremen ist sie noch heute so verbunden, dass sie eigens für die Stadtführung „Von der Herrlichkeit bis zu den Philosophen am Rathaus“ am Sonnabend um 14.30 Uhr am Kapitel 8, Domsheide 8, sein wird, um die Premiere eines rund einstündigen Rundgangs zu gestalten. Die St.-Michaelis–St.-Stephani-Gemeinde lädt dazu ein.
Malena Tara führt die Gruppe in das Bremen des 16. Jahrhunderts. Ausgangspunkt ist das Jahr 1522, als der Augustinermönch Heinrich von Zütphen in der Ansgarikirche die erste protestantische Predigt in Bremen hielt. Die Ideen Luthers fielen in der Hansestadt schnell auf fruchtbaren Boden, sehr zum Missfallen des Erzbischofs und der Dominikaner im Katharinenkloster. „Das waren die großen Gegenspieler“, erklärt Tara. Die Mönche behielten die lutherischen Propagandisten im Blick und schrieben die Predigten fein säuberlich mit, um Material zu sammeln gegen die neue, falsche Lehre. Für die Historiker ein Glücksfall. „Nur weil die Gegner der Reformation alles aufzeichneten, sind die Predigttexte bis heute erhalten“, weiß die Studentin. Genützt hat es wenig, die Reformation setzte sich zügig durch, und schon 1528 wurde aus dem Kloster und seiner Schule eine allgemeine „Schola Bremensis“, denn Bildung für das Volk gehörte auch zu den Zielen der Reformbewegung.
„Aufstand der 104“
Zu den weiteren Orten, die die thematische Führung ansteuert, gehört auch das heutige Amtsgericht. Hier der Sitz des Deutschritterordens, den eine aufgebrachte Menschenmenge 1531 verwüstete. Der „Komtur“ als Ordenschef und mehrere seiner Knechte wurden erschlagen. Es ging ganz weltlich um Weiderechte auf der Bürgerweide, die der Orden aus Sicht vieler Bremer Bürger zu Unrecht für sich beanspruchte. Das Ganze ging als der „Aufstand der 104“ in die Bremer Geschichte ein, denn aus dem Streit um die Bürgerweide wurde schnell ein grundsätzlicher Konflikt um die politische Macht.
Mit Gewaltandrohungen wurden der bisherige 26-köpfige, mehrheitlich durch Vererbung der Posten gebildete, Bremer Rat vertrieben und ein neuer Rat mit 104 Mitgliedern installiert, der mit seinem demokratischen Anspruch als früher Vorläufer der heutigen Bürgerschaft gilt.
Der Effekt für die Reformation: Der neue Rat verfügte 1532, dass im Bremer Dom nur noch evangelisch gepredigt werden dürfe. Allerdings hatte dieser erste Demokratieversuch in Bremen unter Führung des Goldschmieds Johann Dove keinen langen Bestand. Schon im Dezemder 1932 wurde Dove hingerichtet.
Rund 50 Jahre später und nach einigem Hin und Her bei den städtischen Machthabern, hatten dann calvinistische Reformatoren aus den Niederlanden das geistliche und auch einige weltliche Ruder übernommen. Diesen Teil der Reformationsgeschichte wird Tara an der Rathausfassade erläutern, denn auch hier hat die Reformation ihre Spuren hinterlassen.
Wer Lust auf noch mehr Details zur Bremer Reformationsgeschichte hat und zum Beispiel wissen will, wo das Paulskloster stand oder welche weiteren Auswirkungen auf die Politik die Auseinandersetzung um den rechten Glauben in Bremen hatte, kann sich in der St.-Michaelis-St.-Stephani-Gemeinde zu der Führung anmelden. „Wer ohne Anmeldung kommt, wird auch nicht nach Hause geschickt“, versichert Tara. Die Führung soll bei entsprechendem Interesse mehrmals angeboten werden.