Im kleinsten Bundesland sind in der ersten Jahreshälfte mehr als doppelt so viele Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern gescheitert, als tatsächlich vollzogen worden. Das geht aus einem Papier der Innenbehörde hervor, das dem WESER-KURIER vorliegt. Es ist das erste umfassende Lagebild zu dem Themenkomplex auf Landesebene seit rund zwei Jahren. Demnach hielten sich am Stichtag 30. Juni gut 2900 ausreisepflichtige Personen in Bremen und Bremerhaven auf.
Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hatte sich nach dem Stand der Dinge erkundigt. Das Zahlenmaterial und seine Bewertung durch die Innenbehörde sind Grundlage der noch ausstehenden offiziellen Antwort des Senats. Den Angaben zufolge ist die Zahl der im Land Bremen gestellten Asylanträge in den vergangenen Jahren gesunken. Baten 2017 etwa 2400 ausländische Staatsangehörige um Schutz, so waren es 2018 gut 2000. Am 30. August lag die Zahl der eingegangenen Anträge bei etwa 1300. Das Anerkennungsverfahren liegt in der Zuständigkeit des Bundes. Sobald das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) über einen Antrag entschieden hat, wird den örtlichen Ausländerbehörden das Ergebnis mitgeteilt. Sie müssen dann die weiteren Maßnahmen ergreifen.
Ist ein Asylantrag abgelehnt worden und liegen keine Duldungsgründe vor, gilt die betroffene Person als ausreisepflichtig. Sie erhält dann von der Ausländerbehörde eine entsprechende Aufforderung, zugleich auch das Angebot einer sogenannten Rückkehrberatung, die „in großem Umfang in Anspruch genommen wird“, wie es in dem Papier heißt. „Durch die engmaschige Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen kann Bremen erfolgreich auf eine sehr hohe Quote freiwilliger Ausreisen verweisen und muss nur in wenigen Fällen abschieben.“ So folgten 2017 auf 565 negativ abgeschlossene Asylverfahren in knapp der Hälfte der Fälle freiwillige Ausreisen. 2018 waren es 98 von 124 Fällen.
Wer sich der Aufforderung zur Ausreise widersetzt, muss mit Abschiebung rechnen. Doch die ist offenbar nur in einer Minderheit der Fälle durchsetzbar. Im laufenden Jahr brachte die Polizei bis zum 30. Juni 46 Personen außer Landes, in 99 Fällen misslang die Abschiebung. Das hat unterschiedliche Gründe. Allein in 38 Fällen wurden die Betroffenen am Tag des geplanten Vollzugs nicht angetroffen. Vierzehnmal fehlten Polizeikapazitäten entweder für den Transport zum Flughafen oder bei der Übernahme durch die Bundespolizei.
Auch Widerstand spielte eine Rolle
Weitere Hinderungsgründe waren Eilentscheidungen von Gerichten, Kirchenasyl, fehlende Pässe oder Passersatzpapiere und medizinische Komplikationen. Auch passiver oder aktiver Widerstand spielte eine Rolle. Im ersten Halbjahr legte die Polizei vor diesem Hintergrund 32 Betroffenen bei der Abschiebung Fesseln an. Die meisten ausreisepflichtigen Asylbewerber, die sich in Bremen oder Bremerhaven aufhalten, stammen vom Balkan (Serbien, Albanien, Mazedonien, Kosovo). Es folgen Personen aus Westafrika, aus Russland und der Türkei.
Die Kosten, die Bremen in den vergangenen Jahren durch Abschiebungen entstanden, sind beträchtlich. Seit 2016 wandte das Land für Flüge und Sicherheitspersonal rund 780 000 Euro auf. Als ein Hindernis für die Überstellung abgelehnter Asylbewerber in ihr mutmaßliches Herkunftsland gilt nach wie vor die teilweise unzureichende Kooperation der dortigen Behörden. Zwar gibt es nach Darstellung der Innenbehörde in der Regel keine grundsätzliche Weigerung von Ländern, ihre Bürger zurückzunehmen.
Doch kämen „einige Staaten der erforderlichen Mitwirkung bei der Ausstellung von Passersatzpapieren beziehungsweise beim Identifikationsverfahren nicht oder nur teilweise nach“. Einige Herkunftsstaaten stellten zudem „willkürlich keine Passersatzpapiere aus“. In diesem Punkt wird Bremen seine Zuständigkeiten zum Jahresende vollständig auf das Bamf übertragen, das einen ständigen und wohl auch besseren Draht zu den ausländischen diplomatischen Vertretungen in Berlin hat.
Als sehr hilfreich betrachtet man im Innenressort die Arbeit des 2018 gegründeten Referats „Rückführungen“. Dort läuft seither die Zuständigkeit für Abschiebungen sogenannten Gefährder und kriminell erheblich in Erscheinung getretener Ausländer zusammen. 16 Angehörige dieses Personenkreises wurden auf Betreiben des Spezialreferats im ersten Halbjahr bereits außer Landes gebracht.