Die Grünen sind auf der Suche nach Glück. In ihrem Stadtkongress am Wochenende arbeiten die Politiker mit Initiativen und Bürgern an Visionen und Utopien zum Thema Stadtentwicklung.
Seit Jahren haben die Grünen immer wieder mit dem Vorwurf zu kämpfen, sie hätten ihren alten Spirit verloren. Wer sich an diesem Wochenende zu den Hallen des Güterbahnhofs verirrt, erlebt die Partei jedoch so, wie viele sich die Grünen in ihrer Anfangsphase vorstellen. Vor der Schaulust ist eine Jurte aufgebaut, in der die Leute zusammenstehen und reden, in dem Lehmofen davor wird gebacken. Für Speisen und Trank gibt jeder das, was er kann oder will. Wer neu zu der Gruppe stößt, bekommt einen grünen Bindfaden und ein Schild, auf das man seinen Namen notieren soll. Ein Hauch von Festival-Stimmung liegt in der Luft.
So hatte es der Landesverband im Vorfeld auch angekündigt. Die Grünen wollen mit ihrem dreitägigen Stadtkongress „Infrastrukturen des Glücks“ Ideen und Visionen für Bremen im Jahr 2050 entwickeln. In diesem Moment ist Pause. Zuvor haben Parteivertreter mit Bremer Initiativen und interessierten Bürgern in zwei verschiedenen Gruppen diskutiert, wie die Stadt in Zukunft aussehen soll, wer sie prägt und gestaltet. Hardware versus Software nennen die Grünen diesen Programmpunkt. Landesvorsitzende Kai Wargalla zeigt sich beflügelt von dem Geist der Veranstaltung. „Ein bisschen ist es tatsächlich wie bei einem Festival. Dann gibt es aber auch wieder Phasen, wo ganz konzentriert gearbeitet wird“, sagt sie.
Ideen basteln
Einige Ergebnisse vom Vortag sind bereits in der Schaulust ausgestellt. Dort sind auf Holzpaletten mehrere Modelle aufgebaut. Die optische Anmutung hat ein bisschen etwas von einem Bastelnachmittag, doch hinter jedem der kleinen Werke steckt eine Bremer Gruppe, die damit ihre Zukunftsvisionen visualisieren will.
Etwa 200 Personen wären am Freitagabend daran beteiligt gewesen, unter anderem die Initiative, die sich für die Verschönerung des Lucie-Flechtmann-Platzes starkmacht, der ADFC oder der Verein Clubverstärker Bremen, der Livemusik-Spielstätten und die Clubkultur in Bremen fördern und vorantreiben will.
Nach der Pause geht es mit dem zweiten Workshop für diesen Tag weiter. Dazu sind auch die führenden Politiker der Fraktion gekommen. Neben Kai Wargalla und Ralph Saxe, nehmen auch Verkehrssenator Joachim Lohse, Kirsten Kappert-Gonther und Finanzsenatorin Karoline Linnert an der Diskussionsrunde teil, die klären soll, welche Visionen und Utopien den Bürgern wichtig sind und wie man sie erreichen kann.

Gärten mitten in der Stadt. Dafür setzt sich die Initiative "Ab geht die Lucie" ein.
Dafür haben sich zwei Gruppen zu einem Gesprächskreis zusammengefunden. Bei der sogenannten „Fishbowl“ diskutiert immer nur eine Handvoll Teilnehmer miteinander, die von Leuten aus dem Publikum abgelöst werden dürfen.
In der Gruppe des Grünen-Landesvorsitzenden Ralph Saxe und Verkehrssenator Joachim Lohse geht es zunächst darum, wie Bremen es schaffen kann, dass weniger Autos im Innenstadtbereich unterwegs sind als bisher und die Wege für Radfahrer verbessert werden. Einige Anwesende schlagen vor, den Autoverkehr von 43 Prozent (Stand jetzt) auf 20 bis 25 Prozent zu reduzieren.
Auch der öffentliche Nahverkehr sollte weiter gestärkt werden, fordern einige der Gruppen. „Menschen wollen sich auf dem Fahrrad sicher fühlen“, sagt Joachim Lohse. „Viele wünschen sich geschützte Radrouten, bei denen man nicht mit dem Autoverkehr kollidiert. Wir haben in Bremen bereits einige Premiumrouten, die direkt am Flussufer entlangführen.“
Modellprojekt in Osterholz
Doch in der Stadt gebe es auch viele schmale Straßenzüge, die zum Teil zu eng dafür sind, dass zwei Personen nebeneinander gehen können. In Osterholz prüfe man Straßenzüge für „Shared Space“ (wörtlich: geteilter Raum). Dabei geht es um die Idee, vom Verkehr dominierten öffentlichen Straßenraum lebenswerter und sicherer zu gestalten, so der Verkehrssenator.
In einem anderen Raum im Güterbahnhof diskutiert die zweite Gruppe unterdessen über das bedingungslose Grundeinkommen und ob man derartige Leistungen unabhängig vom Bund auch nur in Bremen einführen könnte. Die Grünen und die Besucher werden bei dem Kongress noch über viele Fragen der Stadtentwicklung sprechen. „Am Ende wollen wir mit zwei bis drei Themen auch wirklich weiterarbeiten“, kündigt Kai Wargalla an.