
Der mutmaßliche massenhafte Sozialversicherungsbetrug in Bremerhaven wird am Mittwoch den Landtag beschäftigen. Die CDU hat das Thema für die aktuelle Stunde auf die Tagesordnung setzen lassen. Wie berichtet, steht der in der Seestadt ansässige Verein „Agentur für Beschäftigung und Integration“ (ABI) im Verdacht, in mehr als tausend Fällen bulgarischen Zuwanderern mithilfe gefälschter Arbeitsverträge zu Sozialleistungen verholfen zu haben. Vereinsmitglieder sollen im Gegenzug einen Teil dieser Leistungen eingestrichen haben. Der finanzielle Schaden geht in die Millionen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Für die SPD-Bürgerschaftsfraktion ist der Vorgang äußerst unangenehm, denn ihr Bremerhavener Mitglied Patrick Öztürk fungierte zeitweilig als stellvertretender Vorsitzender der „Agentur für Beschäftigung und Integration“, dessen Vorsitzender sein Vater Selim Öztürk ist. War Öztürk junior über die Vorgänge im Bilde? Dafür interessiert man sich bei den Genossen brennend. Die Partei kann derzeit keine weiteren strafrechtlichen Hängepartien gebrauchen, ticken doch bereits zwei juristische Zeitbomben: der laufende, wenn auch zunächst ausgesetzte Strafprozess gegen den Abgeordneten Mehmet Acar wegen mutmaßlichen Sozialhilfebetrugs und Steuerhinterziehung sowie ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen den Abgeordneten Andreas Kottisch wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung (wir berichteten).
Patrick Öztürk hat dem Vernehmen nach bei der Routinesitzung der SPD-Bürgerschaftsfraktion am Montag seine Unschuld beteuert. Er habe bereits 2011 beim erstmaligen Einzug in die Bürgerschaft seine Funktionen in der ABI niedergelegt und vom möglichen organisierten Sozialleistungsbetrug keine Kenntnisse erlangt. Eine gleichlautende Erklärung hatte Öztürk bereits am vergangenen Freitag gegenüber dem Vorstand der SPD-Bürgerschaftsfraktion abgegeben. „Für uns besteht vor diesem Hintergrund kein Handlungsbedarf“, fasste Fraktionssprecher Matthias Koch die Haltung der Genossen zusammen.
Ob sich die anderen Bürgerschaftsfraktionen am Mittwoch in der Aktuellen Stunde mit dieser Erklärung begnügen werden oder ob sie die Personalie Patrick Öztürk aufgreifen, wird sich zeigen. Aus der CDU ist zu hören, man wolle Öztürk nicht in „Sippenhaft“ nehmen. Gleichwohl wollen sich die Christdemokraten bemühen, auch auf parlamentarischem Weg Licht in die Vorgänge bei der „Agentur für Beschäftigung und Integration“ zu bringen und sich nicht allein auf die Staatsanwaltschaft zu verlassen. Bei mehreren Senatsressort will die CDU-Fraktion Akteneinsicht nehmen und so unter anderem herausfinden, aus welchen Fördertöpfen senatorischer Behörden die ABI Zuwendungen erhielt.
Die Grünen in Bremerhaven haben sich unterdessen ebenfalls zu Wort gemeldet und in scharfem Ton die Sozialdemokraten kritisiert. Sie werfen ihnen wörtlich „Scheinheiligkeit in der aktuellen Debatte um Sozialbetrug in der Seestadt“ vor und stellen einen Bezug zu Öztürks umstrittenem Bürgerschaftswahlkampf im Frühjahr 2015 her. Öztürk war damals als SPD-Kandidat von der „Agentur für Beschäftigung und Integration“ unterstützt worden – und zwar in einer Weise, die sogar Funktionäre seiner eigenen Partei an die Methoden von Drückerkolonnen erinnerte. „Hoffen wir mal, dass jetzt im Zuge einer hoffentlich lückenlosen Aufarbeitung des mutmaßlichen Sozialbetrugs auch die ungeschminkte Wahrheit im Fall des Wahlkampfes des Herrn Patrick Öztürk im letzten Jahr ans Licht kommt“, schreiben die Bremerhavener Grünen in ihrer Stellungnahme. Man stelle sich die Frage, „ob da ein ungutes ,System SPD’ dahintersteckt“.
Von Patrick Öztürk war am Montag auf Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten.
Kinderbetreuung und Cannabis-Politik, ein Verkehrskonzept für den Stadtkern und die Vergabe öffentlicher Aufträge – das sind vier von rund 70 Themen auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Das Parlament, das vom heutigen Dienstag bis einschließlich Donnerstag zu seiner April-Sitzung im Plenarsaal zusammenkommt, berät unter anderem über die Budgets für Beiräte.
Am heutigen Dienstag tagt von 14 Uhr bis 19 Uhr die Stadtbürgerschaft, das kommunale Parlament ohne Bremerhavener Abgeordneten. Zur Sprache kommt unter anderem ein Antrag der CDU-Fraktion. Thema: „Alleinerziehende brauchen verlässliche Kinderbetreuungsangebote.“ Anschließend berichtet der Ausschuss für Bürgerbeteiligung über Geld, das für die Beiräte bei den laufenden Haushaltsberatungen für 2016 eingeplant werden solle. Und am späteren Nachmittag folgt ein Bericht der Deputation: „Innenstadtverkehr muss fließen“ heißt es in der Überschrift. Ziel sei ein Konzept für den Wall und die gesamte Innenstadt.
Am Mittwoch und Donnerstag kommen – an beiden Tagen von 10 Uhr bis etwa 18 Uhr – die Abgeordneten aus Bremerhaven hinzu. Aus dem stadtbremischen Parlament wird der Landtag. Ganz oben auf der Tagesordnung steht eine aktuelle Stunde. Neben der von den Christdemokraten beantragten Debatte über „massenhaften Sozialversicherungsbetrug in Bremerhaven“ soll es dabei auch um ein Thema gehen, dem die Gruppe Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) Bedeutung beimisst : „Teilnahme des Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft an einer Veranstaltung der ,Islamischen Föderation Bremen’“. Sozialdemokrat Christian Weber sei am Ostersonntag zu Gast beim Regionalverband einer Organisation gewesen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Voraussichtlich nach der Mittagpause am Mittwoch um 14.30 Uhr steht die Zukunft der „freihändigen Vergabe“ von Aufträgen zur Debatte. Aufträge auch mit höherem Wert könnten demnach ohne Ausschreibung vergeben werden, unter anderem um bürokratische Hürden zu senken.
Am Donnerstag debattiert das Parlament unter anderem auch über den Bericht des Landesbehindertenbeauftragten. Auf der Tagesordnung steht zudem eine große Anfrage der FDP mit dem Titel „Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtern“.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
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