
Bremen. Über 50 Jahre alt sind die Bilder der spielenden Kinder im Schnoor. Spuren des Krieges sind darauf deutlich erkennbar, und doch zeigen die Fotos vor allem unbeschwerte Momente: Jungen und Mädchen mit Blechspielzeug, auf dem Dreirad, mit dem Roller. Aufgenommen hat sie der Fotograf Jochen Stoss. Am Mittwochabend wurde seine Ausstellung "Schnoorkinder 1960" in der Bürgerschaft eröffnet.
Ein kleiner Junge mit Schiebermütze und kurzen Hosen. Drei Kinder im Hauseingang hockend, über ein Bilderbuch gebeugt. Ein Mädchen auf dem Roller, im Haar eine Schleife: Es sind zufällige Begegnungen mit den Kindern des Gängeviertels, die der Fotograf Jochen Stoss in seiner aktuellen Ausstellung präsentiert. Eröffnet wurde die Schau "Schnoorkinder 1960" gestern Abend in der Bremischen Bürgerschaft. Als junger Berufsanfänger zog Stoss durch den Schnoor, über mehrere Wochen beobachtete er das Alltagsleben in den engen Gassen.
Eingefangen hat Stoss dieses mit seiner ersten eigenen Kamera, einer Voigtländer Vito B. "Rückblickend faszinieren mich vor allem die Nähe und Unmittelbarkeit der Aufnahmen", sagt er. "Heute wäre es fast unmöglich, Kinder auf diese Weise zu fotografieren." Damals hingegen sei es noch etwas Besonderes gewesen, eine Kamera zu besitzen. Viele Menschen hätten sich daher gern fotografieren lassen – so auch die Kinder im Schnoor.
Kulisse der Nachkriegszeit
Ihre Porträts verraten nicht nur viel über Mode und Zeitgeist der damaligen Epoche, zudem vermitteln sie einen Eindruck vom Stadtbild der Nachkriegszeit. Die Spuren der Bombardierung sind vielfach noch sichtbar, die Schnoorkinder spielen vor Schutthaufen und baufälligen Fassaden. Und doch sind es größtenteils unbeschwerte Momente, die auf den Bildern zu sehen sind: Ein Mädchen schmeißt lachend seinen Teddy in die Luft, ein kleiner Junge raucht eine Schokoladenzigarette, ein anderer spielt mit seiner Blecheisenbahn.
Entstanden ist die Ausstellung mit den rund 30 Kinderporträts eher zufällig. "Ich habe die alten Fotos beim Stöbern auf dem Dachboden entdeckt", erzählt Stoss, der von 1967 bis 2011 als Pressefotograf für diese Zeitung gearbeitet hat. "Eigentlich konnte ich mich kaum noch an die Aufnahmen erinnern." Eine Ausstellung habe er zunächst nicht im Sinn gehabt, doch dann habe ihn seine Familie ermuntert, die Bilder auch in der Öffentlichkeit zu zeigen. "Vielleicht erkennen sich ja einige Kinder von damals wieder und melden sich bei mir", sagt Stoss. Sein Wunsch jedenfalls wäre es.
Für die nähere Zukunft plant der Fotograf eine noch größere Ausstellung – eine Gesamtschau zu den verschiedenen Stationen seines Berufslebens und der Stadtgeschichte soll es werden. Bilder des Bremen-Besuchs von Queen Elizabeth im Jahr 1978 möchte Stoss zeigen, oder von den Straßenbahnunruhen. "Das sind Erlebnisse, die mich als Fotograf sehr bewegt haben", sagt er. Aber auch für kritische Momente soll in der Ausstellung Platz sein, für das Geiseldrama von Gladbeck zum Beispiel. "Im Nachhinein muss ich da auch meine eigene Rolle als Fotograf kritisch hinterfragen", sagt Stoss.
Kritisch sieht er auch die rasante Entwicklung der modernen Digitalfotografie. Sie habe das Berufsbild des Fotografen zutiefst verändert, immer mehr verkämen Bilder zu billiger Massenware. Für ästhetische Aufnahmen sei dagegen immer weniger Platz.
Umso mehr freut sich Stoss über die aktuelle Bilderschau in der Bürgerschaft. Die dort gezeigten Schwarz-Weiß-Aufnahmen beeindrucken vor allem durch ihr weiches Licht. Sonnendurchflutet erscheinen zahlreiche Aufnahmen, still und verlassen die Kulissen des Schnoors – die spielenden Kinder kommen so besonders gut zur Geltung.
Zu sehen ist die Schau bis 2. Mai werktags von 9 bis 18 Uhr im Foyer der Bürgerschaft.
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