Bitte melden Sie sich an, um den Kommentarbereich zu nutzen.
Bremen. Kinderlärm. Um das Thema will es nicht stiller werden. Noch nicht lange ist es her, dass die Bürgerschaft einstimmig einen Antrag verabschiedet hat, damit Kinderlärm rechtlich nicht länger wie Gewerbe- und Verkehrslärm behandelt wird. Doch der Auftrag an den Senat wirkt sich im Behördenalltag offenbar noch nicht aus. Probleme in der Praxis lassen sich nicht per Anordnung beheben.
Ein typischer Fall in Bremen und nicht der einzige: Am Kippenberg-Gymnasium in Schwachhausen erhielt Schulleiter Hermann Pribbernow neulich eine kurze elektronische Nachricht von der Schulaufsichtsbehörde. 'Die Fußballtore auf dem Freizeitgelände des Kippenberg-Gymnasiums' sollten umgehend abgebaut werden. Genauso umgehend war offenbar Stadtgrün informiert worden: Die Tore seien sofort vom Areal abzuholen. Da sie jedoch 2005 mit Hilfe einer Elternaktion, Stiftungs- und Beiratsgeldern gekauft wurden, verweigerte der Schulleiter die Herausgabe an die Mitarbeiter des städtischen Eigenbetriebs und ließ die Tore stattdessen vom Hausmeister wegschließen. 'Sie sind Eigentum von Schule und Beirat', betont Schulelternsprecherin Susanne Ottmers, die die Entwicklung mit Sorge und Unverständnis sieht.
Seit einigen Jahren schon gärt ein Konflikt mit einigen Anwohnern aus der Wuppesahlstraße, deren Wohnungen durch ein kleines Wäldchen vom Schulgelände getrennt sind. Die Eigentümergemeinschaft klagt über den beim Fußballballspiel entstehenden Lärm auf dem Schulhof, vor allem stört sie das Spielen an Abenden und Wochenenden. Die Anwohner beschwerten sich bei der Bildungsbehörde über das Aufschlagen der Bälle und im Gespräch mit unserer Zeitung auch über nächtliche Zusammenkünfte von Jugendlichen, die offenbar die Zufahrt von der Schwachhauser Heerstraße kennen und nutzen.
'Wir haben uns nie dagegen gesträubt, dass Kinder dort tagsüber Fußball spielen', versichert Anwohner Oliver Dorn. 'Aber wir wollen eine Nachtruhe erreichen.' Ein Kompromiss mit der Bildungsbehörde schien gefunden, als feste Nutzungszeiten für die Tore schriftlich verabredet wurden. Danach dürfen die Schüler an Schultagen bis 19 Uhr dort Fußball spielen, an Wochenenden gar nicht. Um den Anwohnern weiter entgegenzukommen, waren die ursprünglich von Eltern und Beirat angeschafften großen stabilen Tore extra gegen kleinere, leichtere ausgetauscht worden, die abgebaut und weggeschlossen werden können. Doch der tägliche Auf- und Abbau durch den Hausmeister kann nicht gewährleistet werden. Oliver Dorn und Mitstreiter lassen sich nun anwaltlich vertreten und drohten der Bildungsbehörde mit Klage. Die Behörde reagierte prompt - im Sinne der Anwohner. Der Kompromiss scheiterte an der Wirklichkeit.
'Wir brauchen die Tore auch als Unterrichtsmaterial', betont Pribbernow. Immerhin gibt es eine Fußball-AG und sogar sehr erfolgreiche Fußball-Mädchen-Mannschaften. Besonders schwierig ist der Fall offenbar deswegen geworden, weil der neue Hausmeister noch nicht in die benachbarte Hausmeisterwohnung einziehen konnte und deshalb täglich pendelt. Deshalb kann der Mann laut Pribbernow (noch) nicht dafür sorgen, dass die Tore abends nicht mehr bespielt werden. Und Oliver Dorn sagt: 'Wir wollen keine neue Versuchsreihen starten.' Die Fronten sind verhärtet.
Dass die Schulaufsichtsbehörde nun, bevor überhaupt eine Klage von Anwohnerseite eingereicht worden ist, Fakten - und zwar zu Ungunsten von Schule und Kindern - schaffen wollte, verstehen weder Hermann Pribbernow noch die Schulelternsprecherinnen Susanne Ottmers und Christa Harmsen. Dass die Schulaufsicht von 'Freizeitgelände' spricht, halten sie für falsch. 'Das ist ein Schulgelände. Dort findet Unterricht statt', sagt Pribbernow ganz klar. Immerhin feierte das Kippenberg-Gymnasium im vergangenen Herbst sein 150-jähriges Bestehen mit einem zentralen Festakt. Ein Ort, an dem sich Kinder versammeln und eben auch lärmen, ist die Schule mithin schon sehr lange.
Dass der Senat von der Bürgerschaft aufgefordert ist, eine rechtliche Besserstellung von Kinderlärm zu erarbeiten, schlägt sich in der täglichen Arbeit der Behörden noch nicht nieder. 'Wir haben den Fall von unserer Rechtsabteilung prüfen lassen und keine Chance gegen die Anwohner gesehen', sagt Karla Götz, Sprecherin der Bildungsbehörde. Für sie ist der Fall einfach: 'Uns ist daran gelegen, dass die mobilen Tore auch wieder zum Einsatz kommen.' Nur müsse der Auf- und Abbau gewährleistet werden. Wenn nicht über den Hausmeister, dann über andere Kräfte. Schulhöfe sollten nach dem Willen der Behörde an Nachmittagen zum Spielen geöffnet werden, versichert die Sprecherin ungeachtet des aktuellen Vorfalls.
Beide Konfliktparteien würden begrüßen, wenn der seit langem defekte Zaun und ein Tor repariert beziehungsweise so gestaltet würden, dass das Gelände abends und an Wochenenden abgeschlossen werden könnte. Karla Götz sagt aber mit Blick auf die Kosten: 'Das ist von Behördenseite nicht darstellbar.'
Wie auch immer der Fall ausgehen wird - er zeigt, was etwa Ralph Saxe, Beiratssprecher in Schwachhausen, beklagt: 'Es gibt so gut wie keine Flächen für Kinder und Jugendliche, gerade für die etwas Älteren. Das Angebot in der Stadt insgesamt ist unadäquat gering.' Mit Blick auf den aktuellen Fall am Kippenberg-Gymnasium ist seine Haltung eindeutig: 'Ich verstehe nicht den vorauseilenden Gehorsam der Behörde. Gerade in einem solchen Klima sollte man die Auseinandersetzung vielleicht auch mal wagen.'
Der Beirat Schwachhausen hatte 2007 mit einer groß angelegten Plakatkampagne unter dem Motto 'Kinderlärm ist Zukunftsmusik' für mehr Verständnis werben wollen. Es gab 2009 einen ersten Aktionstag für Kinder und Jugendliche. An Fußgängerbrücken über der Kurfürstenallee wurden zudem Banner gehängt, die auf Kinderrechte aus der UN-Konvention verwiesen.
Für Schüler wie Carlo, Nils und seine Klassenkameraden steht derzeit nur fest: 'Ohne Tore kann man nicht Fußball spielen.' Sie sind die Leidtragenden. Solange die Tore verschwunden sind, saust der Ball dauernd ins Wäldchen. Sie hoffen, dass sich die Erwachsenen einigen, damit sie weiterhin spielen können. Auch nachmittags, denn Carlo weiß von seinen vielen Besuchen: 'Dann kommen hier kleinere Kinder aus dem Stadtteil her, um zu spielen.'
|
Im Garten gibt es immer was zu tun. Unsere Redakteurin Patricia Brandt begleitet das Gartenjahr mit einem Augenzwinkern in ihrer Kolumne. Inzwischen ist die 100. WESER-KURIER-Gartenkolumnen erschienen. Sie schildert die Ängste und Sorgen des Hobbygärtners und nimmt Marotten auf die Schippe.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.