
Gerade hat Klaus-Peter Wolf die Nachricht des Tages bekommen. Mal wieder Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste, mal wieder mit einem Ostfriesenkrimi, diesmal: „Ostfriesenzorn“. Aber, flüstert er durchs Telefon, das darf noch niemand wissen. Erst am nächsten Tag wird die Liste offiziell veröffentlicht, dann wird zum zwölften Mal in Folge ein Roman von ihm auf dem Spitzenplatz eingestiegen sein. Doch Wolf freut sich schon heute, und so wirklich hinter den Berg halten, will er mit der frohen Kunde nicht. Geteilte Freude ist doppelte Freue, heißt es schließlich, und es sollen ruhig alle wissen, wie erfolgreich er ist.
Und tatsächlich, den Erfolg, den Klaus-Peter Wolf mit seinen Büchern feiert, kann man gut und gerne als außergewöhnlich bezeichnen. Die Frequenz in der er sie veröffentlicht, ebenfalls. In diesem Jahr werden es zwei, „Rupert Undercover – Ostfriesische Jagd“ erscheint im Juni. „Ostfriesische Mission“ und „Ostfriesenhölle“ kamen 2020, „Todesspiel im Hafen“ und „Ostfriesennacht“ 2019. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Dazu kommen die selbst eingesprochenen Hörspiele zu den Romanen, ein Sachbuch und die Kinderkrimi-Reihe „Die Nordseedetektive“, die er mit seiner Ehefrau Bettina Göschl herausgibt.
Doch warum hat dieser Mann so viel zu erzählen? Gelsenkirchen in den 1970er-Jahren: Klaus-Peter Wolf, Jahrgang 1954, Arbeiterkind, mit einer Familie, über die es viel mehr zu schreiben gäbe, als es braucht, um die Frage zu beantworten. Er sagt: „Ich bin im Schweigen groß geworden. Doch um mich herum waren ganz viele Geschichten, die unser Leben bestimmt haben, jedoch nie ausgesprochen wurden.“ Eine davon ist die seiner Großeltern, denen der 14-jährige Klaus-Peter mit Fragen über den Weltkrieg auf den Zahn fühlt. „Ich wusste damals von Vielen, dass sie Nazis waren, auch wenn sie sich mittlerweile als große Demokraten ausgaben. Und auch bei meiner Familie dachte ich, sie würden etwas Schlimmes verschweigen.“
Das Gegenteil war der Fall. Er findet heraus, dass „die Tante Sophie“ eigentlich Jüdin ist. Dass sie bei den Wolfs versteckt wurde und so den Krieg überlebte. Und dass seine Großeltern das Schweigen kultiviert hatten, um nicht doch noch irgendwann von den Nazis abgeholt zu werden, „wenn der Wind sich wieder dreht“. Und da ist sie, die Antwort: „Sie hätten stolz sein können, aber die Angst hat sie schweigen lassen. So wollte ich nicht leben.“ Er will seine Geschichten erzählen, und das tut er nun seit Jahren. Und der Stolz auf seine Arbeit schwingt in seinen Sätzen immer mit.
Begonnen zu schreiben hat Wolf schon im Alter von acht Jahren. Sein erstes Buch, zwölf Seiten stark, Verkaufspreis: zehn Pfennige. Einen Gewinn, der zum Leben reichte, machte er erst später, mit dem Schreiben von Drehbüchern unter anderem für den „Tatort“ oder „Polizeiruf 110“. Eine gute Schule. Er lernte alles über schnelle Szenenwechsel, Zeitsprünge, Cliffhanger, kurzum: das Grundrezept für erfolgreiche Kriminalromane. Das Wichtigste aber war keine Formalie.
Wolf beobachtete am Set, was gute von schwachen Rollen unterschied. Sein Fazit: „Wenn der Autor beim Schreiben nicht mit der Figur verschmolzen ist, wird der Schauspieler sie später auch nicht verkörpern können.“ Er übertrug das aufs Schreiben,schlüpft in das Leben seiner Protagonisten; das kann man so sagen, ohne zu übertreiben. Seine Frau könne schon beim Betreten der Wohnung riechen, an welcher Figur er gerade schreibt, sagt er. Ist es der Kripo-Chef, trinkt er dessen Lieblingstee, also duftet es nach Schwarztee mit Pfefferminze. Ist es der Ruhrpott-Ermittler Rupert, duftet es schon mal nach Currywurst und Bier.
Die Art zu sprechen, Sehnsüchte und Ängste von 200 Figuren hat er so verinnerlicht. Kein Wunder, dass er manchmal grußlos an seinen Nachbarn vorbei läuft, in den Welten versunken, die er in seiner Fantasie erschaffen hat. Dabei ließe es sich so gut abschalten, hier, in Norden, mehr Städtchen als Stadt, wo Ebbe und Flut den Rhythmus vorgeben. Doch mit solcherlei Einwürfen kann Wolf nichts anfangen: „Richtige Künstler schalten nicht ab“, „Ich schreibe auch, wenn ich nicht schreibe“, „Ich lebe dieses Leben mit Haut und Haaren“.
Das glaubt man ihm, denn anders ist der Umfang seiner Bibliografie nicht zu erklären. „Es gibt Kollegen, die feiern, wenn sie endlich das Wort „Ende“ hinter ihre Geschichte schreiben konnten“, sagt Wolf. So ist er nicht. Es gibt kein Ende, jedenfalls ist keines absehbar. Wer in seine Bücher schaut, sieht das. Kein Roman erscheint ohne das erste Kapitel des Nachfolgers im Nachklapp. Das ist ein Versprechen an die Fangemeinde, an den Verlag und auch an sich selbst.
Was also macht einen guten Tag aus im Leben des Klaus-Peter Wolf, mit Ausnahme der Tage wie heute natürlich, an denen er verkünden kann, wie er die Bestsellerlisten erobert? Es braucht dazu nicht viel. Drei bis vier geschriebene Seiten seines neuen Kriminalromans, handschriftlich in seiner Kladde, mit einem Kolbenfüller zum Aufziehen, schwarze Tinte. Und wenn er das erzählt, klingt es tatsächlich ein wenig so, als hätte Wolf einfach das Glück, mit seinen Romanen so viel Geld zu verdienen, dass er nicht mehr arbeiten muss.
Ostfriesenkrimis als Quotengaranten
Seit 2017 laufen die Verfilmungen der Ostfriesenkrimis von Klaus-Peter Wolf auch im Fernsehen. Am Sonnabend, den 20. März strahlt das ZDF um 20:15 Uhr die fünfte Folge der Reihe aus – „Ostfriesenangst“, wie der gleichnamige Roman aus dem Jahr 2012. In der Rolle der Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen wird die Berliner Schauspielerin Julia Jensch zu sehen sein, die diese Rolle im vergangenem Jahr von Christiane Paul übernommen hat.
Die bisherigen Verfilmungen waren ähnlich erfolgreich, wie die Romanvorlagen. Die 90-minütigen Filme sind regelmäßig die meistgesehene Sendung des jeweiligen Ausstrahlungstages. „Ostfriesengrab“ lockte dabei zuletzt 5,89 Millionen Zuschauer vor die TV-Geräte, zuvor hatten „Ostfriesensünde“ 7,24 Millionen und „Ostfriesenblut“ 6,48 Millionen Zuschauer verbuchen können.
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