
Bremen. Louis Armstrong ist in der Beale Street geboren, auch der Jazz ist es und alle Schwarzen – diese Straße ist ein symbolischer Ort, besungen in einer Bluesballade. Der Schriftsteller James Baldwin wählte den Straßennamen als Titel für einen Roman. „If Beale Street Could Talk“, im vergangenen Jahr verdienstvoller Weise in neuer Übersetzung im Deutschen Taschenbuchverlag erschienen, erzählt von der Liebe zwischen Fonny und Tish inmitten der von Rassismus geprägten US-amerikanischen Gesellschaft der 1970er-Jahre. Die beiden jungen Schwarzen trotzen allen Ungerechtigkeiten und Wirrnissen mit ihrem unbedingten Bekenntnis zueinander. Die Liebe ist bei Baldwin Teil des Aufbegehrens der schwarzen Community, Teil der Emanzipation.
Nun hat Regisseur Barry Jenkins, dessen Film „Moonlight“ vor zwei Jahren unter anderem den Oscar als bester Film erhielt, dieses fiebrige, vom Rhythmus des Jazz geprägte Buch verfilmt und setzt dabei ganz darauf, den Gefühlen und Stimmungen der beiden Hauptfiguren nachzuspüren. Clementine, die von allen nur Tish (KiKi Layne) genannt wird, und Alonzo, der Fonny (Stephan James) gerufen wird, verlieben sich also ineinander. Ihre Familien im New Yorker Stadtteil Harlem kennen sich schon lange, Tish und Fonny haben als Kinder gemeinsam in der Badewanne geplanscht. Doch dann, im Alter von 19 und 22 Jahren, funkt es, und zwar so richtig und unbedingt: „Ich wusste, dass Fonny der schönste Mensch ist, dem ich je begegnet bin“, schwärmt Tish. Denn aus Tishs Perspektive ist nicht nur der Roman, sondern überwiegend auch der Film erzählt. Die beiden wollen raus aus Harlem, sie, die in einem Kaufhaus in der Parfümerieabteilung arbeitet, und er, der Bildhauer werden will.
Doch dann landet Fonny im Gefängnis; er soll eine puerto-ricanische Prostituierte vergewaltigt haben. Tish, die ein Kind von ihm erwartet, versucht gemeinsam mit ihrer und Fonnys Familie alles, um seine Unschuld zu beweisen. Doch das ist nicht so einfach. Fonny ist schwarz. Der Polizist, der behauptet, er habe gesehen, wie Fonny vom Tatort weggerannt ist, ist weiß.
Barry Jenkins gelingt das Kunststück, James Baldwin großen Respekt zu zollen und gleichzeitig seine eigene filmische Handschrift weiter zu entwickeln. Er verschachtelt Gegenwart und Vergangenheit, wie im Buch, und er macht klar, dass er keinen weiteren Film drehen wollte, der sich einfach nur über die Brutalität von Weiß gegen Schwarz empört. „Beale Street“ setzt von Beginn an auf eine beinahe optimistische Farb- und Lichtdramaturgie. Gelb ist Tishs Mantel in der ersten Einstellung, Fonny trägt eine blaue Jeansjacke, die Blätter der Bäume, unter denen sie entlang gehen, leuchten im warmen Sonnenlicht. Grün, Rot, grell gemusterte Blusen, Hosen und Kleider setzen auch in eher tragisch gefärbten Szenen einen optimistischen Kontrapunkt: Die Liebe steht im Zentrum, auch die Liebe von Tishs Mutter (Regina King hat für ihre Darstellung den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle zugesprochen bekommen) zu ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn. Sie fährt nach Puerto-Rico, um die misshandelte Prostituierte zu überreden, die Wahrheit zu sagen. Das misslingt.
Barry Jenkins beobachtet sein Paar gerne in ausgedehnten, ruhigen Einstellungen, in vielen Großaufnahmen, er spielt mit der Tiefenschärfe, was einige Sequenzen zu kunstvollen Tableaus werden lässt. Manchmal macht die Kamera sich selbstständig und fährt übermütig die Umrisse eines möglichen Wohnzimmers in einem Loft ab. Der Jazz ist immer dabei, kommentiert die Handlung, sorgt mitunter für Trost. Diese Filmsprache ist oft von großer Strahlkraft und Anmut, manchmal allerdings übertreibt es Jenkins mit den großen Gefühlen. Ein paar Liebesschwüre weniger hätten es auch getan.
Durch die Konzentration auf Tish und Fonny bleibt zudem wenig Raum für die anderen, von Baldwin mit ähnlich starken Strichen gezeichneten Figuren. Die Bigotterie von Fonnys Mutter und die Black-Panther-Sympathien von Tishs Schwester sind nur angedeutet, der weiße Polizist ist ein wandelndes Ku-Klux-Klan-Klischee. Einzig Fonnys Freund Daniel (Brian Tyree Henry) kann mit den Hauptfiguren gleichziehen, das gelingt Jenkins mit einer einzigen, dichten Szene. Daniel ist bereits durch einen langen Gefängnisaufenthalt gebrochen, hat unaussprechliche Grausamkeit erlebt. Die Zukunft hält nichts mehr für ihn bereit. „Beale Street“ spielt in den 1970ern; die Geschichte passt allerdings locker auch ins Jahr 2019. Wie Baldwins Buch ist Jenkins' filmische Adaption kein Zeitdokument, sondern beschreibt die grundsätzliche Diskriminierung von Schwarzen als zeitübergreifenden Habitus. Und jegliche Auflehnung dagegen als Quelle für nie versiegenden Optimismus.
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