
Wer seine Lieben zu Weihnachten mit 1160 Gramm Belletristik am Stück beglücken will, ist bei Robert Galbraith richtig, alias J. K. Rowling, Schöpferin des Harry-Potter-Universums: Der jüngste und fünfte Band ihrer Krimireihe um den Privatdetektiv Cormoran Strike und seine Kollegin Robin Ellacott, der an diesem Montag auf Deutsch erscheint, umfasst 1200 Seiten.
Diesen Umfang benötigt die Autorin nicht nur, um den Fall – wie schon in den vorherigen Bänden um den knorzigen Detektiv – detailverliebt und geruhsam zu erzählen, ganz so, als hätte sie alle Seiten der Welt. Sie benötigt auch reichlich Platz, um eine Vielzahl miteinander verbundener Personen und verknoteter Handlungssträngen nach und nach zu ver- und wieder zu entwirren. Man kann den Eindruck gewinnen, dass es Rowling mit Cormoran Strike nicht anders geht als mit Harry Potter: Das Geschehen wird von Band zu Band komplexer und vielschichtiger.
Das ist nicht die einzige Parallele zu Rowlings Welterfolg um Zauberer und böse Mächte. Obendrein hat die Britin in ihren jüngsten Roman die mystischen Aufzeichnungen eines Detectiv Inspectors eingebunden, der einst mit Ermittlungen betraut war und eine Psychose entwickelte, sodass Wirklichkeit und Wahn verschmelzen. Er hat eine Art Tagebuch mit rätselhaften Zeichnungen hinterlassen, die im Roman anzuschauen sind.
Die Handlung ist also üppig: Zum einen ist da der aktuelle Fall – das Verschwinden einer Ärztin zwischen Dienstschluss und abendlicher Verabredung in London. Zum anderen ist die Detektei mit weiteren Fällen betraut, in die neben Strike und Ellacott zusätzliche Mitarbeiter eingebunden sind, mit denen die Leser vertraut gemacht werden. Die Entwicklung der Hauptfiguren wird vorangetrieben, das Privatleben von Strike und Ellacott ausgebreitet, in Vergangenheit und Gegenwart. Und nicht zuletzt ist es die Beziehung zwischen den beiden, der Rowling Raum gibt.
Der Fall der Ärztin Margot Bamborough liegt mehrere Jahrzehnte zurück. Die Tochter heuert Strike und Ellacott an, um er ergründen, was ihrer Mutter widerfahren ist. Bamborough hat in einer Gemeinschaftspraxis gearbeitet. Sie hatte zwei Mediziner an ihrer Seite, es gab Assistentinnen, Mitarbeiter im Vorzimmer und eine Reinigungskraft, einen Ehemann und die beste Freundin, ehemalige Weggefährten, Patienten und polizeiliche Ermittler. Weil der Fall viele Jahre zurückliegt, müssen die Detektive auch Kinder und andere Angehörige aufspüren.
Als die Originalausgabe („Troubled Blood“) erschien, im Sommer dieses Jahres, löste sie eine Kontroverse über die Darstellung von Transsexualität aus. Die Debatte entzündete sich nicht nur, aber auch an einer Figur des Romans: am Serienmörder Dennis Creed, der als verdächtig gilt, für das Verschwinden der Ärztin verantwortlich zu sein.
Er wird als Psychopath beschrieben, wie man ihn aus einer Reihe von Thrillern kennt, Hannibal Lecter (ersonnen von Thomas Harris) lässt gewissermaßen grüßen. Er sitzt in einer psychiatrischen Anstalt ein, weil er nachweislich eine Reihe von Frauen getötet, vergewaltigt und auf brutale Weise gepeinigt hat. Im Gespräch mit Cormoran Strike schildert er, wie er seine Opfer überwältigen konnte: Er schlüpfte in eine andere Rolle, trug einen Damenmantel sowie eine Perücke und panschte ihnen schließlich Betäubungsmittel in die Getränke.
Die Figut hat für böses Blut gesorgt, weil sie angeblich ein Stereotyp eines geschlechtlich verwirrten Mörders bedient. Es waren jedoch insbesondere Rowlings Aussagen zu diesem Thema, an der sich die Kontroverse entzündete: Sie kenne und liebe Transmenschen, twitterte sie im Sommer. Und: „Wenn das biologische Geschlecht nicht real ist, gibt es auch keine homosexuelle Zuneigung. Wenn das biologische Geschlecht nicht real ist, löscht das die Realität von Frauen weltweit aus.“ Auch die Wahl des Pseudonyms, das zuvor keinerlei Beachtung fand und für das die Autorin eine andere Erklärung hat, erfuhr eine Interpretation: Robert Galbraith Heath galt als Pionier der sogenannten Konversionstherapie, die Homosexuelle „heilen“ sollte.
Vor laufender Kamera wurden Rowlings Bücher verbrannt, die Sequenzen wurden auf Tiktok verbreitet. Es soll zu Drohungen gegenüber der Autorin gekommen sein. Emma Watson, durch die Verkörperung der Hermine Granger in den Harry-Potter-Verfilmungen berühmt geworden, distanzierte sich von der Autorin. Auch Daniel Radcliff, der in acht Kinofilmen Harry Potter dargestellt hat, sah sich zu einer Reaktion veranlasst: „Transgender-Frauen sind Frauen. Jede gegenteilige Aussage untergräbt die Würde und Identität von Transgender-Personen.“
J. K. Rowling hat in der Vergangenheit zu dem Thema kein Blatt vor den Mund genommen. Sie setzte sich für Maya Forstater ein, deren Vertrag als Steuerfachfrau nicht verlängert worden war, nachdem sie getwittert hatte, dass eine Geschlechtsveränderung unmöglich sei. An dieser Position kann man sich abarbeiten. Ob aber alle, die Rowling vorwerfen, transphob zu sein, „Böses Blut“ gelesen haben, sei dahingestellt: Es ist nicht ersichtlich, dass es sich bei Creed um einen Transsexuellen handelt. Die Figur ist angelegt als ein Serienmörder, der seine Verkleidung in erster Linie nutzt, um seine Opfer in Sicherheit zu wiegen, Anteilnahme zu heucheln, ihr Vertrauen zu erschleichen und auszunutzen.
„Böses Blut“ ist ein grandios angelegter Kriminalfall, in dem J. K. Rowling einmal mehr ihre große Stärke beweist: ihren Sinn für lebensechte Figuren und ihre Raffinesse im Umgang mit einem kolossalen und komplizierten Stoff.
Robert Galbraith: Böses Blut. A. d. Engl. v. Wulf Bergner, Christoph Göhler u. Kristof Kurz. Blanvalet, München. 1200 Seiten, 26 €.
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