
Flüchtling, Behinderter, Negerkuss. Drei Begriffe, die eins gemeinsam haben: Sie diskriminieren. Sie werfen unterschiedliche Menschen in einen Topf, ohne auf den einzelnen zu schauen. Sie gruppieren Menschen, die sich nicht gruppieren lassen. Eine Frau mit Downsyndrom wird behandelt wie eine Frau, der ein Arm fehlt. Beides eine Form der Behinderung, die doch vollkommen unterschiedlich zu betrachten ist. Ähnlich bei „dem Flüchtling“. Jeder besitzt eine eigene Geschichte, mit eigenen Erfahrungen und Problemen, die durch dieses Wort außer Acht gelassen werden.
Die Problematik ist klar: Die Bezeichnungen lassen keinen Blick auf den Einzelnen zu. Es braucht einen Perspektivwechsel. Gerade deshalb hat sich ein Sprachdiskurs entwickelt, der versucht, Vorurteile abzubauen. Unter dem Deckmantel der politischen Korrektheit werden immer wieder Begriffe kritisiert, angepasst, ausgetauscht. Aus Flüchtling wurde Geflüchteter, Behinderte sind nun Menschen mit Behinderung, und den Negerkuss gibt es nicht mehr, es ist der Schokokuss.
Für den durchschnittlichen, weißen Mann gehört das womöglich zu den Sprach-Irrungen und Wort-Wirrungen, die überflüssig sind. Womöglich fragt er sich, warum gerade er wegen seiner Wortwahl kritisiert wird. Warum darf er nicht mehr Negerkuss sagen? Schließlich diskriminiert er keine Afroamerikaner, wenn er einen Negerkuss als solchen bezeichnet. Doch dieses Argument verfehlt den eigentlichen Kern der Diskussion, denn es geht um einen Schritt in die richtige Richtung auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Der durchschnittliche, weiße Mann kann sich nur schwer vorstellen, wie es ist, aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Herkunft oder seines Geschlechts benachteiligt zu werden.
Es ist die gedankenlose Verwendung von Wörtern, Begriffen, Beschreibungen, die dazu führt, dass Menschen benachteiligt werden. Aus der Sprache folgt die Gewohnheit, Sprache prägt das Verhalten und die Gedanken. „Neger“ steht nun mal für Jahrhunderte der Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung. Es geht nicht, dass auch in der heutigen Zeit Rassismus noch so präsent sein muss und Zuschauer eines Fußballspiels Affenlaute nachahmen, wenn ein schwarzer Fußballspieler den Ball bekommt.
Auch hierzulande gibt es zahlreiche Diskussionen, die in dieselbe Richtung gehen – wie in Berlin: Seit Jahren ist eine Umbenennung der „Mohrenstraße“ im Gespräch. „Mohr“ bezeichnet dunkelhäutige Menschen, stammt von den Bewohnern Mauretaniens, den Mauren. Gegner sagen, der Straßenname sei diskriminierend, Befürworter entgegnen, eine Umbenennung verfälsche die Berliner Geschichte. Selbst in Kinderbüchern ist diese Diskussion um politische Korrektheit längst angekommen. Berühmtestes Beispiel: Pippi Langstrumpf. Ihr Vater ist der „Negerkönig“. Zur Zeit, in der das Buch erschien, ein alltäglicher Begriff. Heutzutage ist es für manche Menschen diskriminierend und wurde bereits vor Jahren angepasst. Aus „Negerkönig“ wurde „Südseekönig“.
Die bloße Änderung der Wörter hilft den Betroffenen nicht – das ist klar. Vielmehr kann es aber dem durchschnittlichen, weißen Mann helfen, sich in die andere Perspektive hineinzuversetzen. Ohne den Menschen zu kennen, wird etwas Negatives mit ihm oder ihr assoziiert. Menschen werden weiterhin in eine Schublade gesteckt, aus der sie schwer herauskommen.
Gerade deshalb kann der Diskurs um das politisch Korrekte helfen, den betroffenen Menschen vorurteilsfrei zu begegnen und in einen Austausch auf Augenhöhe zu gelangen. So kann auch der eingefahrene, weiße Mann seinen Blickwinkel ändern und sich der Problematik öffnen, mit der Menschen mit Fluchterfahrung oder Afroamerikaner tagtäglich konfrontiert werden – mit den Beschimpfungen und Benachteiligungen, mit den Zurückweisungen und Anfeindungen. Und möglicherweise überdenkt er seine Meinung und geht offener durch die durchaus bunte und vielfältige Welt.
Diese Beispiele sind nur die Speerspitzen eines Sprachdiskurses, der noch Jahre weitergehen wird. Sprache war, ist und bleibt diskriminierend. Dafür sorgen nicht die Bezeichnungen an sich, sondern die Menschen, die sie benutzen. Sprache ist aber auch gleichzeitig wandel- und veränderbar. Sie wird sich immer wieder am Zeitgeist anpassen und neue Wörter und Bezeichnungen finden, um die immer noch präsente Diskriminierung ein Stück weiter abzubauen. Und der durchschnittliche, weiße Mann kann dabei helfen.
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