
„Look what she can do with her eyes“ – Schaut, was sie mit ihren Augen macht. Diese Worte habe der britische Regisseur Paul Greengrass immer wieder über die Hauptdarstellerin Helena Zengel gesagt, während er Nora Fingscheidts Film „Systemsprenger“ schaute. Das erzählte die Nachwuchs-Schauspielerin mal in einer NDR-Talkshow, als sie gefragt wurde, wie sie zu ihrer Rolle in „Neues aus der Welt“ (Originaltitel: News of the World) an der Seite von Tom Hanks kam. Und ja, Greengrass hatte recht: Zengels Blicke und ihre Mimik gehören zu den stärksten Elementen des Films, der ab sofort auf Netflix zu sehen ist. Was definitiv an der großartigen Schauspielleistung der Zwölfjährigen liegt, aber auch daran, dass in dem Western-Drama außerhalb davon wenig Spannendes passiert.
„Neues aus der Welt“, basierend auf dem Roman von Paulette Jiles von 2016, dreht sich um einen Kriegsveteran namens Captain Jefferson Kyle Kidd, gespielt von Oscar-Preisträger und Hollywoodstar Tom Hanks („Forrest Gump“, „Philadelphia“). Captain Kidd reist im Jahr 1870 auf seiner Kutsche durch Texas und überbringt dem Volk Nachrichten, er liest den Menschen aus Zeitungen vor – weil sie vor lauter Arbeit keine Zeit zum Lesen haben. Das tut er auf eine beschwichtigende und zugleich lebhafte Art, die wohl von kaum jemandem besser verkörpert werden könnte als von Hanks mit seiner beruhigenden Stimmlage.
Der aktuelle Bezug zur heutigen US-amerikanischen Gesellschaft, der von Greengrass nach eigener Aussage auch so gewollt ist, bleibt dabei unübersehbar: Eine Epidemie grassiert, man sucht nach Heilungsmethoden. Das Land ist gespalten, denn die besiegten Texaner haben Wut auf die „reichen Kriegsherren aus dem Norden“, auch Rassismus kommt zum Vorschein. Als es um die Abschaffung der Sklaverei und ein Wahlrecht für ehemalige Sklaven geht, werden Rufe nach „Texas first!“ laut, eine unverkennbare Anspielung auf Donald Trumps Wahlslogan „America first“.
Captain Kidd trifft auf seiner Kutschfahrt ein verwaistes Mädchen namens Johanna Leonberger (Zengel), deren deutsche Einwandererfamilie zuerst von Indianern getötet wurde, ihre Stammesfamilie dann auch noch Soldaten zum Opfer fiel. Kidd will sie zu Verwandten in einem entlegenen Teil von Texas bringen. Johanna, die bei den Indianern Cicada heißt, versteht kein Englisch, sie spricht Kiowa und ein bisschen Deutsch. Auf ihrer Reise versuchen Kidd und Johanna sich zu verständigen, er bringt ihr ein paar Worte auf Englisch bei, lernt aber auch selbst ein wenig Kiowa, was Kidd sehr sympathisch macht. Allgemein beginnt man irgendwann, den Mann mit dem grauen Vollbart und dem warmherzigen Blick in dem Drama zu mögen, aber mehr auch nicht. Gerne würde man mehr Mitleid mit Captain Kidd verspüren, zum Beispiel, als er vor dem Grab seiner Frau steht. Aber dafür kommt man ihm während der zwei Stunden Spielzeit nicht nah genug.
Auf dem Weg zu Johannas Verwandten gibt es immer wieder Szenen, die durchaus fesseln; etwa wenn Ganoven Kidd das Mädchen abkaufen wollen, um Johanna als Zwangsprostituierte auszubeuten. Es gibt Schießereien und einen Unfall, das alles ist jeweils für einen Moment spannend. Aufregend sind auch Johannas temperamentvolle Ausbrüche, wenn sie sich wehrt, mit Kidd mitzugehen und verwilderte Züge annimmt. Western-Fans werden zumindest durch jede Menge Cowboyhüte, Streichmusik und Lagerfeuer atmosphärisch auf ihre Kosten kommen. Und die Bilder von Landschaften sind beeindruckend, was sie auf Kino-Leinwand garantiert noch viel mehr wären. Dennoch ist es der fehlende Spannungsbogen, der den Film zäh wirken lässt.
Das Drama glänzt vor allem durch die Schauspieler und die Aufnahmen des polnischen Kameramanns Dariusz Wolski. Helena Zengel schafft es auf eindrucksvolle Weise, mit Tom Hanks auf Augenhöhe zu bleiben und nicht neben ihm unterzugehen. Für die Rolle ist sie völlig zu Recht für einen Golden Globe als beste Nebendarstellerin nominiert. Fans werden mit Vorfreude erwarten, sie auch mal in anderen Rollen als in der eines verstörten Kindes an der Seite eines Ersatz-Vaters, wie sie es in „Systemsprenger“ auch schon war, zu erleben.
"Neues aus der Welt" (Original: News of the World"), seit 10. Februar auf Netflix.
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Normalerweise würde man sich ja regelmäßig mit anderen Eltern und Kindern treffen. Sei es in ...