
Vor der Pforte des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft türmen sich am Montagmorgen verdreckte Gummistiefel. Bauern haben sie zum Auftakt des Milchgipfels mit Vertretern der Landwirtschaft, des Einzelhandles und der Molkereien dort abgelegt, als Teil einer Arbeitskleidung, die viele von ihnen schon bald nicht mehr benötigen werden. Denn der Preisverfall zwingt immer mehr Milchviehbetriebe in die Knie. Die Erzeugerpreise haben sich binnen zweier Jahre von gut 40 auf 20 Cent halbiert, und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Das hält der stärkste Landmann auf Dauer nicht durch. Sieben Prozent der deutschen Milchbauern haben 2015 aufgeben müssen. Der Gummistiefel dient mithin als Mahnmal. 2016 wird es noch schlimmer werden, wenn es so weiter geht.
Gerade dies soll der Milchgipfel verhindern. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat die Spitzen des Deutschen Bauernverbands (DBV), des Handelsverbands Deutschland (HDE) und des in der Molkereiwirtschaft federführenden Raiffeisenverbands (DRV) ins Ministerium geladen, um kurzfristig Hilfen zu beschließen und langfristig Veränderungen in die Wege zu leiten, die den Bauern auskömmliche Erlöse sichern sollen. Wobei Letzteres weitaus schwieriger umzusetzen ist als Ersteres. Das auf gut drei Stunden angesetzte Gespräch dauert letztlich fast fünf.
Bescheidene Ergebnisse
Gemessen daran nehmen sich die Ergebnisse bescheiden aus. Schmidt sagt zu, was er bereits im Vorfeld angekündigt hat: Die Milchbauern werden Soforthilfen in Höhe von 100 Millionen Euro plus X erhalten, vornehmlich in Form von Steuererleichterungen, Bürgschaften und Freibeträgen. Zudem soll es auch 2017 einen Zuschuss zur Unfallversicherung in der Landwirtschaft geben. Für die kommenden Tage kündigt Schmidt Verhandlungen mit den Länderministern, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie EU-Agrarkommissar Phil Hogan darüber an, wie groß besagtes X werden kann.
Hoffnungen setzt der Minister dabei insbesondere auf die EU, die 2015 bereits 500 Millionen Euro für Europas Michbauern locker gemacht hatte, wovon 70 Millionen den hiesigen Betrieben zugute kamen. Nun komme es darauf an, dass alle Mitgliedsstaaten diese Mittel bis zum 30. Juni ebenso zielgerichtet den Erzeugern zukommen ließen, wie Deutschland dies bereits getan habe, sagt Schmidt, „weil wir wieder Platz brauchen für eine zweite Tranche“. Gemeint ist: Bevor die alten Mittel nicht an die Adressaten gelangt sind, gibt es kein frisches Geld aus Brüssel.
Greifbar sind bisher indessen nur die fest zugesagten 100 Millionen Euro. Für die deutschen Milchbetriebe, die laut DRV 2015 Einbußen in Höhe von zwei Milliarden Euro hinnehmen mussten, bedeuten des Ministers Zusagen nur schmale Kost. Magermilch, sozusagen. Darauf kommt Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied in seiner Stellungnahme denn auch umgehend zu sprechen: Die Einkommen der deutschen Landwirte insgesamt seien 2015 um gut ein Drittel gesunken, 2016 drohe ein Verlust in gleicher Größenordnung, entsprechend müsse das von Schmidt angekündigte X sehr viel größer ausfallen als der zugesicherte Betrag, um den Faktor zehn zumindest, was einer Milliarde Euro entspräche.
Dass es so viel wird, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Nicht von ungefähr hat Schmidt betont, es gehe um den Erhalt einer dauerhaft starken Landwirtschaft, deren Überleben nicht vom Subventionstropf abhängig sein dürfe. Detaillierte Vorschläge, wie nachhaltig tragfähige Strukturen aussehen könnten, bleibt Schmidt allerdings ebenso schuldig wie HDE-Präsident Josef Sanktjohanser und Raiffeisenpräsident Manfred Nüssel. Da ist von flexibler Angebotssteuerung, kartellrechtlichen Ausnahmeregelungen und einem nachhaltigen Umbau der Milchwirtschaft die Rede, wobei der Verweis auf die EU und das deutsche Wettbewerbsrecht noch den konkreteren Teil der Redebeiträge repräsentiert. Laut Minister soll ein Branchendialog noch 2016 greifbare Ergebnisse erarbeiten: „Denn ein ,Weiter so‘ kann es nicht geben.“
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