
In zwei Drittel der 160 untersuchten Staaten gebe es keine vollständige Presse- und Meinungsfreiheit und in mindestens jedem zweiten Land unfaire Gerichtsverfahren. In 18 Ländern sei es zu Kriegsverbrechen oder andere Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht gekommen. „Für die Menschheit stand nie mehr auf dem Spiel“, sagte Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty in London.
Auch die deutsche Flüchtlingspolitik wird in dem Bericht scharf kritisiert. „Die Bundesregierung verliert die Menschenrechte aus dem Blick“, sagte die Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland, Selmin Caliskan. Sie lobte zwar die Bereitschaft in großen Teilen der Bevölkerung, Flüchtlinge aufzunehmen. Die anfängliche Offenheit der Bundesregierung sei dagegen geschwunden. „Stattdessen wird nur auf Härte und Abschottung gesetzt“, sagte Caliskan. Sie kritisierte vor allem die Verschärfung des Asylrechts. So entspreche das seit März 2015 geltende Asylbewerberleistungsgesetz besonders bei der Gesundheitsversorgung nicht den internationalen Menschenrechtsstandards. Amnesty wirft der Bundesregierung auch vor, rassistische Gewalt zu verharmlosen.
Iran erneut in der Kritik
Amnesty forderte die Bundesregierung auf, ihren Plan fallen zu lassen, Marokko, Tunesien und Algerien zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären, in die Flüchtlinge nach einem vereinfachten Verfahren abgeschoben werden können. In den drei nordafrikanischen Ländern gebe es „schwerwiegende menschenrechtliche Probleme, wie Folter durch Polizisten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und Schikane von Menschenrechtsverteidigern“. Der Amnesty-Bericht stellt auch Afghanistan kein gutes Zeugnis aus. Dorthin will die Bundesregierung Asylbewerber abschieben, weil Teile des Landes sicher seien.
Shetty lobte dennoch die Leistung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise: „Wir loben normalerweise keine Regierungen und ihre Chefs“, sagte Shetty. Aber Merkel habe eine prinzipielle Sichtweise auf die Situation eingenommen und damit gegen Widerstand im Land die richtige Entscheidung getroffen.
Mitverantwortlich für die Verschlechterung der Menschenrechtslage ist laut Amnesty das Versagen der internationalen Gemeinschaft bei der Lösung der großen Krisen. Den Bürgerkrieg in Syrien und die Folgen nannte Caliskan „eine der größten Tragödien dieses Jahrhunderts“. Die internationale Gemeinschaft zeige „weder den politischen Willen noch die Kompetenz, angemessen mit der Fluchtbewegung gemeinsam umzugehen“.
Zu viele Regierungen schränkten im Kampf gegen bewaffnete Gruppen wie Boko Haram oder die Terrormiliz Daesch ihrerseits die Freiheitsrechte ihrer Bürger ein, kritisierte Shetty. „Die Taten dieser Gruppen dürfen keiner Regierung als Rechtfertigung dienen, selbst gegen internationale Menschenrechte zu verstoßen, um kurzfristig etwas zu erreichen.“ Als Beispiel nannte er Frankreich, dessen Ausnahmezustand nach den Terrorangriffen von Paris „zunehmend fraglich“ sei.
Zu den von Amnesty angeprangerten Menschenrechtsverletzungen zählen auch der Fortbestand des umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba, die Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit in Polen und die „flüchtlingsfeindliche Politik“ der ungarischen Regierung.
Am Pranger steht auch einmal mehr der Iran. Seit der Einigung im Atomstreit im Sommer 2015 sucht der Westen wieder nach engen politischen Kontakten. Die deutsche Wirtschaft hofft auf Milliardengeschäfte. An der Menschenrechtslage hat die Entspannung laut Amnesty aber noch nichts verändert: „Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren an der Tagesordnung. (...) Die Behörden vollstreckten grausame Körperstrafen wie Blendungen, Amputationen und Auspeitschungen.“
Nicht viel besser sieht es in Saudi-Arabien aus. Der ölreiche Golfstaat ist ein wichtiger Wirtschaftspartner Deutschlands und ein strategischer Partner im Kampf gegen den Terror. Menschenrechtsverletzungen werden von deutschen Ministern bei Besuchen in Riad zwar stets angesprochen. Menschenrechtsorganisationen wünschen sich aber deutlich stärkeren Druck. Öffentliche Auspeitschungen und Stockhiebe sind weiter an der Tagesordnung. Die Zahl der Hinrichtungen stieg 2015 weiter an.
Mehr Druck der Bundesregierung würde sich Amnesty auch auf die Türkei wünschen. Dort stellte die Organisation seit den Parlamentswahlen im Juni 2015 eine massive Verschlechterung der Menschenrechtslage fest. „Die Medien waren 2015 beispiellosen Repressalien ausgesetzt, und die Meinungsfreiheit wurde erheblich eingeschränkt, auch im Internet“, heißt es.
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