
Der konservative Sebastian Kurz und der Grüne Werner Kogler, der junge, etwas glatte Altkanzler und der bodenständige Mann aus der Steiermark, der gerne im Wirtshaus sitzt, sind ein ungewöhnliches Team. Beide aber sind strategisch klug und zollen sich wechselseitig auch in ihrer Andersartigkeit Respekt. Und es gibt einige Umstände, die ihre Zusammenarbeit erleichtern werden: Sowohl die ÖVP als auch die Grünen sind klar pro-europäisch. Beide Parteien haben zudem die letzten Wahlen im September gewonnen und dadurch einen Startvorteil. Außerdem wollen beide in Wien Sachpolitik machen und sind intellektuell anspruchsvoller als die populistischen Freiheitlichen, die in den letzten Monaten hauptsächlich damit beschäftigt waren, den Dreck in den eigenen Reihen aufzuräumen.
Dennoch war die Zusammenarbeit mit der FPÖ für die Kurz-ÖVP sicherlich bequemer, denn inhaltlich gab es kaum Unterschiede, seit Kurz die ÖVP vor zwei Jahren weit nach rechts geführt hatte. Die Zusammenarbeit mit den Grünen ist für Kurz aber trotzdem kein leichtfertiger Versuch. Beide Seiten meinen es überaus ernst, obwohl es einige Bruchstellen für diese neue Form des Bündnisses gibt. Für die ÖVP hat die neue Koalition echte Vorteile: Die Grünen sind schlichtweg weniger stark als die FPÖ. Und die ÖVP kann die Verantwortung für unangenehme, aber notwendige Maßnahmen – etwa eine ökologische Steuerreform – auf den Koalitionspartner abschieben.
Der konservativen ÖVP war es vor allem wichtig, dass das Innenministerium, mit dem auch Stimmungspolitik gemacht werden kann, wieder in ihre Hände gelangt. Es war viele Jahre lang die Machtzentrale der Konservativen. Die Grünen erhoben erst gar keinen Anspruch auf die prestigeträchtigen Innen- und Außenministerien. Sie bekommen aber das finanziell relevante Infrastrukturministerium, in dem moderne Klimapolitik gemacht werden soll.
Die ÖVP will vor allem garantieren, dass die scharfe Linie im Bereich Migration beibehalten wird. Dafür soll auch Susanne Raab sorgen, die bereits als Sektions-Chefin beim Burkaverbot, dem Islamgesetz oder der Initiative "Integration durch Leistung“ mitgearbeitet hat. Die neue und erste Integrationsministerin Österreichs soll den Kampf gegen Parallelgesellschaften und den politischen Islam fortsetzen – und damit sicherstellen, dass die ÖVP ihre rechten Wähler nicht zu sehr enttäuscht und der FPÖ keine offene Flanke bietet. Raab plädiert für Deutschkurse, Wertekurse und Integrationsberatungen. Sie ist aber auch ein Signal, dass es nicht nur mehr um Abschreckung von Migranten geht, sondern auch wieder stärker um deren Integration.
Die Einteilung der Ressorts – elf für die ÖVP, vier für die Grünen – spiegelt nicht nur die Kräfteverhältnisse zwischen Türkis (37,5 Prozent der Wählerstimmen) und Grün (13,9 Prozent), sondern zeigt auch, wie viele Kompromisse die Unterhändler in den letzten Wochen austarieren mussten. Sowohl die ÖVP als auch die Grünen legen Wert darauf, dass sie jeweils für jene Themen zuständig sein werden, die ihren doch sehr unterschiedlichen Wählern wichtig sind. Es gilt, die Wählerschaft bei der Stange zu halten.
Bislang ist die Aufgabenverteilung gut ausbalanciert. Die größte Herausforderung für die neue Regierung in Österreich wird wohl sein, dass sich die jeweiligen Wähler und Parteiangehörigen nicht voreinander entfremden. Die größte Gefahr für das Wagnis von Wien ist jedoch, dass die Konjunktur einbrechen könnte, was angesichts der Entwicklung in Deutschland abzusehen ist. Spätestens wenn die Umfragen für die neue Koalition schlechter werden, werden auch Spannungen in der Partnerschaft erwartet.
Allerdings schielt nicht nur die österreichische Regierung gebannt nach Deutschland, auch in Berlin zeigt man Interesse daran, ob ein Bündnis zwischen der CDU und den Grünen ein bundespolitisches Modell sein könnte. Dieser Blick zum Nachbarn ist nichts Neues: „Dies Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält", sagte bereits der deutsche Dichter Friedrich Hebbel.
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