
Der Mann, der als Kind ganz unbescheiden eines Tages König der Welt werden wollte, trägt nun unangefochten die Krone. Boris Johnson wird Großbritannien am 31. Januar aus der EU führen, nachdem er vor wenigen Wochen die Parlamentswahl haushoch und geradezu triumphal gewann. Der Premier kann seitdem durchregieren. Die Frage ist, wie er seine Macht nutzen wird. Denn auch wenn Johnson seit Jahren prominent auf der politischen Bühne der Insel agiert, er blieb auch immer ein Rätsel.
Niemand weiß wirklich, wie er tickt oder von welchen Prinzipien er tatsächlich geleitet wird. Bislang nutzte der ehrgeizige Politiker die Downing Street vor allem als Wahlkampfzentrale, wirklich regiert hat er noch nicht. Vielmehr ging er in Populismus-Manier leichtfertig mit der Wahrheit um, um seine Anhänger zu befriedigen und an die Spitze des Königreichs zu gelangen. Aber Macht ist enthüllend. In den nächsten Wochen und Monaten wird Johnson offenlegen müssen, wie er sich die Zukunft des Königreichs vorstellt und was an die Stelle der EU-Mitgliedschaft treten soll.
Wird der Premier die Tories weiter nach rechts rücken oder zurück in Richtung politische Mitte steuern? Wird der bislang polarisierende Konservative die tief zerstrittene Bevölkerung weiter spalten? Oder wird er als Regierungschef auftreten, der die Nation zu einen und zu versöhnen versucht? So ist es möglich, dass es Überraschungen gibt, insbesondere nach dem geplanten EU-Austritt des Königreichs am 31. Januar 2020. Denn dass Johnson künftig nicht mehr auf die Stimmen der Brexit-Hardliner in den eigenen Reihen oder auf die nordirischen Unionisten angewiesen ist, verschafft ihm deutlich mehr innenpolitischen Spielraum.
Wenn es in die nächste Runde der Verhandlungen mit der EU um die künftigen Handelsbeziehungen geht, werden die Briten sich entscheiden müssen, wie eng sie das Verhältnis mit der Staatengemeinschaft gestalten wollen. Theoretisch hätte das dazu führen können, dass Johnson abrückt von der Zusage, keineswegs die Übergangsperiode zu verlängern, die im Dezember 2020 endet. In dieser gelten auf der Insel weiter die EU-Regeln. Doch dass ein umfassendes Freihandelsabkommen in so kurzer Zeit ausgehandelt werden kann, gehört ins Reich der Utopie.
Abermals besteht die Gefahr eines ungeordneten No-Deal-Brexits mit katastrophalen Folgen für die britische Wirtschaft. Dieses Risiko kann Johnson eigentlich nicht eingehen. Denn künftig muss der Konservative auch seine neue Wählerschaft im Norden Englands und in den Midlands bedienen, die stark abhängig von der verarbeitenden Industrie ist. Sollte Großbritannien keinen guten Handelsdeal mit Brüssel erzielen, würden Unternehmen und Arbeitskräfte massiv getroffen.
Es ist deshalb gut möglich, dass der Premierminister mit der überwältigenden Parlamentsmehrheit im Rücken eine Kehrtwende einleitet und einen weicheren Brexit anstrebt. Zudem könnte Johnson das Prozedere beschleunigen, denn je weiter sich Großbritannien von den EU-Regeln und Standards entfernen will, desto langwieriger werden die Verhandlungen.
Gleichwohl könnte es auch passieren, dass Johnson seine Macht in der Heimat nutzen und den offenen Streit mit Brüssel suchen wird, indem er maximale Forderungen stellt und auf ein Einknicken der EU hofft. Darauf zumindest deutet hin, dass er die Übergangsphase per Gesetz bis Ende 2020 beschränken will. Abermals setzt sich London damit unrealistische Fristen, die im Brexit-müden Volk eine Erwartungshaltung aufbauen, die am Ende nur enttäuscht werden kann. Die EU-feindlichen Getreuen auf den Hinterbänken aber jubeln.
Nur braucht er die jetzt im Grunde nicht mehr – der Premier hat ohnehin ganz andere Probleme. Das Land zeigt nämlich längst Zerfallserscheinungen. Das Vereinigte Königreich zusammenzuhalten, wird die größte Herausforderung seiner Amtszeit. Während in Nordirland jene republikanischen Kräfte siegten, die auf eine Vereinigung mit der Republik Irland drängen, kämpft Regierungschefin Nicola Sturgeon von der Scottish National Party um ein neuerliches Referendum über die Unabhängigkeit. Die Folgen des Brexits, sie sind auch zu Beginn des neuen Jahres unvorhersehbar.
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