
Mit weniger Vorschuss hat wohl selten eine Volkspartei ihren Spitzenkandidaten in eine Landtagswahl geschickt. Noch auf dem CDU-Bundesparteitag im Dezember in Essen urteilten erfahrene Delegierte ungerührt: Das Saarland ist ein Heimspiel, aber Schleswig-Holstein ist für uns schon gelaufen – mit einem jungen Nobody können wir Rot-Grün dort gewiss nicht stürzen. Der Jackpot ist ohnehin die Wahl in NRW, da kommt es dann wieder drauf an.
Zackiger Durchmarsch des Nobodys
Nun aber hat der Nobody im meerumschlungenen Bundesland einen zackigen Durchmarsch hingelegt. Den Namen Daniel Günther wird man sich also doch merken müssen, zumal der Mann erst 43 Jahre alt ist – und die CDU nicht gerade mit einem Überangebot an jüngeren Siegertypen aufwarten kann. „Er ist die Hoffnung der CDU im Norden“, befand schon vor der Wahl die konservative FAZ.
Und mangelnde Prominenz macht Günther durch reichlich Erfahrung wett. Als nun schon fünfter Nachfolger von Peter Harry Carstensen, dem CDU-Übervater im hohen Norden, erlebte er die Kurzkarrieren der Epigonen hautnah mit: den unrühmlichen Abschied des Christian von Boetticher ebenso wie den Absturz von Jost de Jager. Er wusste also genau, worauf er sich einließ, als er im vorigen Oktober den unbeliebten Ingbert Liebing als Spitzenkandidat beerbte.
Landwirte als verlässlichste Klientel
Die verlässlichste Klientel der CDU in Schleswig-Holstein sind – wie auch anderswo – die Landwirte. Doch Günther vermied es klug, sich allzu eng an sie zu binden, denn sie und ihre Themen sind nicht mehr wahlentscheidend: Bildung und Infrastruktur schlagen Milchquote und Tierschutzvorschriften.
So konnte Günther die rot-grün-dänische Koalition gleichzeitig mit populären Themen angreifen, aber auch für die Grünen anschlussfähig bleiben. Denn deren Spitzenmann Robert Habeck ist als amtierender Agrar- und Umweltminister beim Landvolk regelrecht verhasst. Als „Draußenminister“ bezeichnet er sich selbst, und da sähen ihn die Bauern auch am liebsten: draußen, ganz weit draußen. Doch Günther braucht ihn und seine Grünen drinnen, in einer Dreierkoalition, wenn er nicht in eine ungeliebte Große Koalition einziehen will. Oder, noch schlimmer, bloß als Oppositionsführer gegen ein Ampelbündnis aus SPD, FDP und Grünen enden möchte.
Nein, er muss Richtung Jamaika Kurs halten, um auch bundespolitisch das richtige Signal für seine Partei zu setzen. Mit einer wieder erstarkten FDP und halbwegs stabilen Grünen ist das ja auch möglich. Zumal Habeck jenseits des Landvolks als höchst pragmatischer Realo gilt, den keineswegs Berührungsängste vor der CDU plagen.
Aber was ist nur mit der bisherigen Machtpartei los, der SPD? Ministerpräsident Torsten Albig äußerte ja schon einmal Zweifel, ob es für die SPD überhaupt Sinn mache, gegen Angela Merkel einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Dafür wurde er von seinen Genossen verbal verprügelt. Nun macht er die Erfahrung, dass ein SPD-Kanzlerkandidat im Landtagswahlkampf nicht zwingend eine große Hilfe ist.
Mit sich selbst, seinem Land und seiner „Dänen-Ampel“ war Albig ja durchaus im Reinen. Jetzt kann er höchstens die Ampel umschalten, wenn er nach dieser Klatsche überhaupt noch weiter regieren will: Dänen (SSW) raus, Liberale rein. Es gibt wenigstens ein funktionierendes Vorbild, die von Malu Dreyer geführte Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz. Und bei allen politischen Gegensätzen können FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki und SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner persönlich gut miteinander: Es ist der gegenseitige Respekt der Kodderschnauzen.
Ohne die liberalen Königsmacher bleibt Albig nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Juniorpartner von Günther oder Opposition. Aus Sicht der FDP stellt sich freilich die Frage, ob man den derzeitigen Steigflug fortsetzen kann, wenn man sich zum Steigbügelhalter eines abgestraften SPD-Ministerpräsidenten macht. Da ist dann wohl doch Parteichef Christian Lindner vor, der bestimmt schon leise von der Vizekanzlerschaft im Herbst träumt.
Siegeslauf der AfD erlahmt
War sonst noch was? Ach ja, die AfD! Der Siegeslauf mit Einzug ins Europaparlament und nunmehr zwölf Landtage erlahmt. Rund fünf Prozent reichen nicht zum Überleben, zumal niemand mit den Rechtspopulisten koalieren mag und sie selbst ja auch bloß opponieren wollen. Zur Erinnerung: 2012 holten die Piraten in Schleswig-Holstein noch 8,2 Prozent. Und so ahnen wir auch, wo die AfD in fünf Jahren stehen wird – dann hoffentlich bundesweit.
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