
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht sich für ein staatliches Gedenken an die Toten der Corona-Pandemie aus. Man habe es mit „erschreckend hohen Todeszahlen“ zu tun, antwortete sie in der Bundespressekonferenz auf eine Frage des
WESER-KURIER. Dahinter stünden Menschen, die in Einsamkeit gestorben seien, und Familien, die um sie trauerten. „Das müssen wir uns auch immer wieder bewusst machen.“
Merkel, die sich am Donnerstag den Fragen der Hauptstadtmedien gestellt hatte, wies darauf hin, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereits ein zentrales Gedenken vorgeschlagen habe. „Ich gehe davon aus, dass das auch in die Tat umgesetzt wird.“ Insgesamt sind in Deutschland bislang rund 50.000 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben.
60 Minuten Zeit hatte die Bundeskanzlerin für einen ihrer eher seltenen Auftritte in der Bundespressekonferenz mitgebracht. Am Ende wurden es dann 80. Merkel hatte offenbar das Bedürfnis, ihr Regierungshandeln einer breiten Öffentlichkeit zu erläutern. Zuletzt sah man sie lediglich bei Statements nach den Treffen mit den Ministerpräsidenten, bei denen wegen der Pandemieauflagen nur wenige Journalistinnen und Journalisten und kurze Fragen zugelassen sind.
Das Hauptthema war und ist die aktuelle Pandemie. Merkel warnte, man müsse die auch in Deutschland aufgetauchte Virus-Mutation sehr ernst nehmen. „Wir dürfen nicht warten, bis die Gefahr bei uns auch greifbarer wird, sich dann also in den täglichen Infektionszahlen niederschlägt.“ Denn dann wäre es zu spät, „um eine dritte Welle der Pandemie und gegebenenfalls eine noch heftigere als jemals zuvor zu verhindern“. Aktuell gehe es um Vorsorge. Alles diene dem Ziel, in diesem Jahr die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Die spürbaren Unstimmigkeiten zwischen Kanzleramt und Länderchefs versuchte Merkel abzumoderieren. Sie schätze diese Zusammenarbeit, auch wenn sie mitunter mühselig sei. „Unter dem Strich haben wir gemeinsame Beschlüsse gefasst.“ Und durchzusetzen hätten diese letztlich die Länder. Merkel machte deutlich, dass auch beim Erreichen der Corona-Inzidenz von 50 nicht alle Maßnahmen sofort aufgehoben werden.
Sollte das Ziel irgendwann erreicht werden, könne man über Lockerungen sprechen. „Eine Priorität für mich ist ganz klar: dass zuerst Kitas und Schulen wieder geöffnet werden müssen“. Danach sei es eine schwierige Abwägungsfrage, wann etwa der Einzelhandel mit einer Öffnung rechnen könne. „Aus praktischen Gründen müsste man dann bald die Frisöre rannehmen“, fügte sie scherzhaft hinzu. Auf mehrfache kritische Nachfrage zum Agieren der Bundesregierung bei der Impfpolitik sagte die Kanzlerin: „Ich verstehe die Ungeduld.“ Sie verteidigte erneut die gemeinsame europäische Impfstoff-Beschaffung. Es wäre „furchtbar“, wenn es sonst in Deutschland schon Impfungen gegeben hätte, in kleineren Ländern aber nicht.
„Bei der Impfstoffbestellung finde ich, dass wir das Menschenmögliche getan haben.“ Sie betreibe kein Produktionswerk für Impfstoffe und könne daher die Produktion selbst nicht garantieren. Die Bundesregierung unterstütze aber etwa den Aufbau eines Biontech-Werks in Marburg, das weitere Kapazitäten schaffe. An diesem Freitag will sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Fragen der Impfpolitik den Fragen der Hauptstadtjournalisten stellen.
Auf die Frage, wie schnell eine Herdenimmunität in Deutschland zu erreichen sei, sagte Merkel, es sei die Entscheidung der Bürger, sich zu impfen lassen. Für Kinder gebe es auch keine Impfungen, daran werde aber geforscht. Wenn alles so laufe wie von der Bundesregierung geplant, könne allen Bürgern „bis Ende des Sommers“ ein Impfangebot gemacht werden. Dies sei kalendarisch der
21. September. Fünf Tage darauf wird ein neuer Bundestag gewählt.
Kritik kam nach Merkels Auftritt aus der Opposition. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte einen „verbindlichen Stufenplan“, der gemeinsam in Bundestag und Bundesrat besprochen werden solle. Es gehe nicht um ein bestimmtes Datum, sondern um die Frage, ab welchem Inzidenzwert Maßnahmen greifen oder gelockert werden. „Wir müssen wissen, worauf wir eigentlich hinarbeiten.“
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte Merkel auf, in der kommenden Woche im Bundestag Stellung zu nehmen. Bartsch verlangte zugleich ein Schutzkonzept für die Alten- und Pflegeheime: „Hier gibt es mit Abstand die meisten Todesfälle.“ FDP-Fraktionschef Christian Lindner kritisierte die Kanzlerin scharf. Ihre Politik stelle die Geduld der Bürger auf eine extrem harte Probe, „ Wir vermissen neben einer nationalen Kraftanstrengung zum besseren Schutz der vulnerablen Gruppen vor allem eine Perspektive zur Öffnung des Landes.“
Die Chefin der AfD-Fraktion im Bundestag, Alice Weidel, zog die wissenschaftlichen Grundlagen der Regierungspolitik in Zweifel. „Der aktuell herangezogene Sieben-Tage-Inzidenzwert, der unter 50 Fälle pro 100.000 Einwohner sinken soll, ist nicht wissenschaftlich fundiert, sondern aus der angenommenen Kapazität der Gesundheitsämter zur Nachverfolgung von ‚Infektionsketten‘ abgeleitet.“
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