
Jeder dritte Mann, der älter als 65 Jahre wird, erkrankt an Demenz. Das geht aus Zahlen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft hervor. In der Gruppe der Frauen ist es demnach sogar fast jede zweite – auch in Bremen. Im Moment leben hier nach einer Schätzung des Ressorts von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) rund 13.000 Menschen mit der Diagnose Demenz, zwei Drittel davon mit Alzheimer.
In Niedersachsen gehen die Experten von etwa 153.000 Betroffenen aus. Die wirklichen Zahlen sind wohl höher, weil viele Betroffene keine Pflegeleistungen in Anspruch nehmen und deshalb nicht in den Statistiken auftauchen. Klar ist aber: Die Zahlen werden in den kommenden Jahren stark steigen. Laut Alzheimer-Gesellschaft erkranken pro Tag mehr als 100 Menschen in Deutschland.
Aktuell gehen die Experten von mindestens 1,5 Millionen Demenzkranken in Deutschland aus, 2050 werden es mehr als 3,1 Millionen sein. Das große Problem: Noch hat die Forschung kein Heilmittel gegen das allmähliche Vergessen gefunden. Erst vor wenigen Wochen hat der Pharma-Riese Pfizer angekündigt, keine neuen Medikamente gegen Alzheimer mehr zu entwickeln.
Demenz und der Umgang mit ihr ist also ein wichtiges Thema, mit dem sich auch Städte auseinandersetzen müssen. In Bremen geschieht das seit 2003, und zwar „vorbildlich“, wie Kornelia Folk, stellvertretende Leiterin des Referats Gesundheit im Alter und Hilfen bei Demenz im Bundes-Familienministerium konstatiert. Sie ist im Moment in Bremen, weil noch bis diesen Donnerstag in der Bürgerschaft die Fachkonferenz „Leben mit Demenz in der Kommune“ tagt.
Dort treffen sich Mitarbeiter von Demenz-Projekten, aber auch Lokal- und Kommunal-Politiker, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Kornelia Folk: „In Bremen wird zum Thema Demenz sehr viel gemacht. Hier wurden eigene Strukturen geschaffen, zum Beispiel mit der zentralen Beratungsstelle, der Demenz-Informations- und Koordinationsstelle.“
In vielen Bremer Stadtteilen gibt es Projekte verschiedenster Anbieter. Dazu zählt auch der runde Tisch „Älter werden in Blumenthal“, der vom Bundesfamilienministerium über das Programm „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ mit 10.000 Euro über zwei Jahre gefördert wird.
Auch der Pflegestützpunkt Bremerhaven und die Bremer Heimstiftung engagieren sich, genauso wie diverse Selbsthilfegruppen. Mit von der Alzheimer Gesellschaft geförderten Kompakt-Kursen kann man sich an vielen Orten zum „Demenz-Partner“ ausbilden lassen oder sich als Angehöriger eines Erkrankten Hilfe holen.
In Niedersachsen gibt es ebenfalls viele Initiativen. So will sich beispielsweise der Landkreis Hildesheim zu einer „demenzfreundlichen Region“ entwickeln. Auch mit dem angestrebten Tarifvertrag Soziales und der Einführung der Pflegekammer wolle man sich der „pflegerischen Versorgung der Bevölkerung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ stellen, heißt es aus dem niedersächsischen Gesundheitsministerium.
„Wichtig ist, dass auch an Demenz erkrankte Menschen noch am gesellschaftlichen Leben teilhaben können“, sagt Marie-Luise Birk, Sozialdienstleiterin der Stiftungsresidenz St. Ilsabeen in St. Magnus. „Jeder sollte wissen, dass er zum Beispiel demente Angehörige nicht verstecken muss. Wir sensibilisieren Menschen für das Thema, die es dann wiederum als Multiplikatoren bekannter machen.“
So ein Multiplikator, weit über Bremens Grenzen hinaus bekannt, ist Alt-Bürgermeister Henning Scherf, der unter anderem bei Besuchen von Lesezirkeln oft auf demente Senioren und Alzheimer-Patienten trifft. „Alleine in meiner Nachbarschaft leben 100 Demenz-Kranke.“
Scherf findet, dass in Bremen zwar schon einiges dafür getan werde, um den Umgang mit dementen Menschen zu enttabuisieren. Aber er sagt auch: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Leuchtturm-Projekte wie die Bremer Heimstiftung oder der Ellener Hof werden europaweit wahrgenommen. Wir müssen aber noch viel mehr für einen normalen Umgang werben.“
Denn, so Scherf, Demenz gehe nicht nur Fachleute an. „Das Thema muss in der Breite der Gesellschaft ankommen. Wir müssen lernen, selbstverständlich miteinander umzugehen.“ Schließlich sei es angesichts des Risikos für jeden einzelnen auch eine Chance. Scherf: „Wer sich damit vertraut macht, was Demenz ist und wie man mit ihr lebt, verliert die Angst vor dem vielleicht eigenen Schicksal.“
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.