
Triebe man es auf die Spitze, würde man sagen, dass das Gebot zum Abstandhalten an zwei Orten besonders einfach umzusetzen ist: im eigenen Wohnzimmer und bei der Sitzung eines Gemeinderats. Rückt einem zu Hause allenfalls noch die Liebste auf den Pelz, könnte es passieren, dass man im Zuschauerbereich eines Ratssaals der Region gleich ganz allein bleibt.
Die Parlamente sind dazu da, politische Prozesse öffentlich und transparent zu machen. Bürgerinnen und Bürger sollen dort die Möglichkeit haben, den handelnden Personen auf die Finger zu schauen und Entscheidungswege nachzuvollziehen. Viele schlagen diese Einladung aber aus. In Corona-Zeiten ist in den Zuschauerräumen der Gemeinderäte oder Ortsbeiräte noch weniger los als sonst: Öffentliche Sitzungen und Infektionsschutz passen schlichtweg nicht zusammen. Das ist ein Problem, denn wenn Transparenz und Teilhabemöglichkeiten fehlen und der Politikbetrieb annähernd unbeobachtet agieren kann, gerät das demokratische System an seine Grenzen.
Der Job, den Ortspolitikerinnen und -politiker verrichten, ist mal Lust und mal Last. Sie sind es, die sich nach einem langen Arbeitstag oft noch stundenlang in Ausschüssen und Ratssitzungen über Schultoiletten und Feuerwehrleitern streiten. Und die sich beim Schützenfest von Kritikern anhören dürfen, dass sie mit einem Hang zum zügellosen Geldausgeben die Zukunft der Kommune gefährden würden. Mit ihren Themen sind diese Kommunalpolitiker oftmals näher am Alltag der Bürgerinnen und Bürger als Parlamentarier auf Landes- oder auf Bundesebene.
Das Interesse der Menschen, die Entscheidungsprozesse über die Zeitungslektüre hinaus zu verfolgen, aber ist bescheiden. Und das, obwohl sich bei den Ratssitzungen auf Gemeindeebene zeigt, ob der Wählerwille vom Wahltag auch im Alltag in konkrete Sachpolitik umgesetzt wird. Oftmals schlagen sich die politischen Akteure mit trockenem Stoff herum, mitunter kommt es aber vor, dass sie sich derart engagiert streiten, dass der Unterhaltungswert hoch ist.
Seit dem Pandemiebeginn jedoch ist das alles noch mal schwieriger geworden. Das Gebot, sich und andere vor Ansteckung zu schützen, hat dazu geführt, dass die eine oder andere Ausschusssitzung auch mal abgesagt oder die zulässige Besucherzahl gedeckelt wurde. Das mag zu verschmerzen sein, wenn es um die Anschaffung einer Feuerwehrleiter geht – bei Entscheidungen über die Ausweisung von Gewerbegebieten, den Neubau einer Schule oder die Schaffung von Bauflächen für neue Reihenhäuser ist es das aber nicht. Denn diese Beschlüsse beeinflussen die Entwicklung einer Stadt oder Gemeinde für Jahrzehnte.
Und derartige Themen bewegen die Menschen dann eben doch in die Ratssäle. Wenn man sie denn hereinlässt: Als es in Worpswede kürzlich um die Zukunft einer Grünfläche ging, wurden einige Interessierte am Eingang des Rathauses abgewiesen. Die Verwaltung hatte die Platzzahl begrenzt, um die Einhaltung der Abstandsregeln zu gewährleisten. Auch der Osterholzer Kreistag zog sich Kritik zu, als er zur Vorstellung eines mit Spannung erwarteten Umweltgutachtens zu einem Schießstand raumbedingt nur zehn Besucher zuließ.
Konflikte provozieren aber auch Lösungen: In Worpswede entschied man, die Ausschusssitzung zu wiederholen; einige Sitzungen verlegt man inzwischen vom Rathaus in einen größeren Raum im Ortsteil Hüttenbusch. Auch der Rat in Lilienthal hat schon in der Aula einer Schule getagt. Und die Abgeordneten des Rotenburger Kreistags sind vereinzelt ins Ratsgymnasium ausgewichen, um coronakonform verhandeln zu können.
Andere Kommunen rüsten technisch auf. In Borgfeld hat der Ortsbeirat eine Sitzung live bei Facebook übertragen. Und in Achim wurde in technische Mittel investiert, um Ratssitzungen streamen zu können. Bei den ersten Übertragungen ruckelte und hakte es noch – das Bemühen der Akteure, ihr Handeln öffentlich zu machen, war aber erkennbar.
Und das ist auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Sie sollten ihre Volksvertreter nicht allein lassen. Zumal es oftmals um viel mehr geht als um Feuerwehrleitern.
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jetzt wird frau schäfer, so kurz vor antritt als vorsitzende des verkehrsausschußes der minister, nochmal drauf gestossen. ...