
Die Ergebnisse dieses EU-Gipfels mögen unvollständig, umstritten und sogar oberflächlich sein. Ein Erfolg war er trotzdem. Es ist während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gelungen, die wohl strittigsten Fragen zu lösen, die die Gemeinschaft überhaupt haben kann. Der Haushalt steht. Der Aufbaufonds kann kommen, auch wenn die Parlamente der Mitgliedstaaten noch die diversen Gegenfinanzierungen durch eine Plastik-, Finanztransaktions- und Digitalsteuer sowie einen erweiterten Emissionshandel beschließen müssen. Das wird kein Spaziergang. Es wird noch viel Feinarbeit zu leisten sein – übrigens auch für den Rechtsstaatsmechanismus und sein Strafsystem für demokratiefeindliche Politik. Da fehlen nämlich noch die Ausführungsbestimmungen, was erneut für Krach sorgen dürfte.
Doch der eigentliche Erfolg dieses Gipfels liegt an anderer Stelle. Und er macht den jetzt oft in Brüssel gehörten Satz, Angela Merkel habe der Gemeinschaft auf Jahre hinaus ihren Stempel aufgedrückt, zu einem Statement. In den vergangenen Jahren haben vor allem die widerspenstigen Regierungen im Osten der Union Konflikte vergrößert, indem sie Ressentiments gegen den Westen schürten. Der Höhepunkt war zweifellos das Veto gegen das Finanzpaket der EU, mit dem sich Ungarn und Polen gegen den neuen Rechtsstaatsmechanismus zu wehren versuchten – allerdings erfolglos.
Dass es dazu kam, ist tatsächlich ein Verdienst der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Polen und Ungarn haben über Jahre hinweg jeden Widerstand gegen ihre Rechtsstaat-Demontage als Überheblichkeit des liberalen Westens hingestellt und das Bild einer Quasi-Diktatur Brüssels wie einst durch Moskau entstehen lassen. Der Osten wurde als Opfer dargestellt und flüchtete sich in nationalistische Werte, die verschleiern sollten, dass eine neue Einheitspartei ihre Basis zementierte. Trotz seiner Unzulänglichkeit wirkte der Rechtsstaatsmechanismus aber schon vorab, weil er den einstigen Ostblock zersplittern ließ. Ungarn und Polen hielten zusammen, der Rest aber scherte schnell auf die Linie der übrigen EU-Mitglieder ein – auch wenn es dabei vorrangig um Geld ging. Warschau und Budapest das Argument zu nehmen, der Westen betreibe eine Art Kulturkampf gegen die wahren Werte im Osten, hat neue Bewegung in die Union gebracht. Vielleicht wird es noch dauern, bis dies mehr Solidarität als bisher möglich macht. Aber die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.
Diese neue Einigkeit zeigte sich auch bei anderen Themen. Die EU-Staaten haben in der Pandemie zu ihrer Geschlossenheit zurückgefunden. Sie überließen Großbritannien den Erfolg, zuerst mit den Impfungen gegen das Coronavirus begonnen zu haben, weil sie die nationalen Regierungsinstitute wie das deutsche RKI an den Prüfungen der Vakzine beteiligen wollten. Und sie haben sich nun darauf verständigt, in allen 27 Mitgliedstaaten am gleichen Tag mit den Schutzimpfungen zu beginnen. Keiner soll der Letzte sein müssen. Das darf durchaus auch als ein starkes politisches Symbol bewertet werden.
Umso wichtiger wird es sein, die Beschlüsse befriedigend in die Details zu übersetzen. Die Vergabekriterien für den Aufbaufonds müssen klar und transparent sein, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, die Gelder würden für andere nationale Interessen zweckentfremdet. Die Lastenteilung der CO2-Reduzierung um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 darf unterschiedlich sein, muss aber fair bleiben. Wenn sich der Eindruck verfestigen sollte, dass die starken Länder nicht nur alles zahlen, sondern auch den Löwenanteil der Einsparungen schultern sollen, während andere nur kleine Beiträge zum Abbau der Treibhausgase leisten, die sie sich auch noch aus der Gemeinschaftskasse finanzieren lassen, wird es zu neuem Streit kommen. Anlässe gibt es genügend, denn auf dem Weg zur Klimaneutralität sind zwar ehrgeizige Schritte nötig, aber sie dürfen widerstandsfähige Wirtschafts- und Arbeitsmarktstrukturen nicht zerstören. Die EU hat nach einem beispiellosen Krisenjahr einen starken Akzent gesetzt, den sie nun ausbauen, festigen und vertiefen muss.
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