
In der Notfallaufnahme amerikanischer Krankenhäuser gibt es Routinen für Patienten, die von sich merkwürdige Dinge behaupten. Wenn dort jemand durch die Tür schreitet und sich „König von Israel“ oder „die zweite Wiederkehr Gottes“ nennt, wird die Person auf Drogen getestet oder einem psychiatrisch geschulten Arzt vorgestellt. Der nach seiner bescheidenen Selbsteinschätzung beste amerikanische Präsident seit Abraham Lincoln hat sich in dieser Woche genau so vor seinen 63 Millionen Twitter-Anhängern und live im Fernsehen vor dem Weißen Haus präsentiert.
Auf dem Kurznachrichtendienst zitierte Trump den Verschwörungstheoretiker Wayne Allyn Root, der ohne jeden Beleg behauptet, die Juden in Israel „liebten den US-Präsidenten, als ob er der König von Israel wäre. Sie lieben ihn, wie die zweite Wiederkehr Gottes.“ Das inspirierte die Lichtgestalt aus der Fifth Avenue so sehr, dass sich Trump später mit ausgebreiteten Armen und dem Blick gen Himmel gerichtet vor Reportern als „den Auserwählten“ bezeichnete. Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass der Präsident damit seine Rolle im Handelsstreit mit China meinte. Was die Dinge nicht viel besser macht. Zumal der Rest seiner Ausführungen nicht minder irre ausfiel.
Eine halbe Stunde lang beleidigte er die dänische Ministerpräsidentin. Sie sei „böse“, weil sie den Grönland-Kaufgelüsten des „besten Geschäftemachers aller Zeiten“ eine nordisch-kühle Abfuhr erteilt hatte. Dann plusterte sich Trump wie der halbstarke Führer einer Mofa-Gang auf. So dürfe niemand mit den USA sprechen, „mindestens nicht unter mir“. Er wiederholte seine antisemitischen Ausfälle, indem er Amerikaner jüdischen Glaubens, die Demokraten wählen, als illoyal abkanzelte. Auch die „Fake-News“ bekamen wieder ihr Fett ab, weil sie nicht berichteten, wie „phänomenal“ die Wirtschaft unter ihm laufe. Stattdessen versuchten sie, eine Rezession herbeizureden. Und seine Ausfälle gegen die schwarzen Bürger Baltimores? Alles Unsinn. Er sei die „am wenigsten rassistischste Person, die jemals im Amt war“.
Ein Analyst auf CNN brachte diese Freak-Show mit dem Satz auf den Punkt, entweder nehme Trump alle auf den Arm, oder er werde zunehmend wahnhaft. Andere spekulierten offen über eine einsetzende Demenz oder Alzheimer. „Ich denke, der Kerl baut mental ab“, sagte Trumps ehemaliger Kommunikationsdirektor Anthony Scaramucci. Dessen selbstzerstörerisches Verhalten sei gefährlich, weil das ganze Land daran hänge. Beispiele dafür sind die ohne Not vom Zaun gebrochenen und nicht gewinnbaren Handelskriege, der absurde Flirt mit Kim Jong Un oder die Liebesdienerei gegenüber Putin.
Den Psychiater Lance Dodes überrascht es nicht, dass sich Trump als Auserwählten oder Gott sieht. Er beschreibt den Zustand des Präsidenten im amerikanischen Fernsehen als "psychotisch“. Trump sei fundamental leer und schlecht organisiert. Je mehr er gedrängt werde, desto wilder schlage er um sich.
Schlechte Umfragewerte, schlechte Wirtschaftsdaten, schlechtes Image im Ausland – der Narzisst muss die Fakten immer mehr verbiegen, um seine alternative Realität zu schaffen. Statistiker haben seit Beginn seiner Amtszeit mehr als 12.000 falsche Behauptungen oder glatte Lügen gezählt. Anders als in der Notaufnahme im Krankenhaus gibt es in der Politik aber kein klares Protokoll, wie mit dem selbsternannten Auserwählten umzugehen ist.
Die US-Verfassung kennt zwar den 25. Zusatzartikel, der die Amtsenthebung erlaubt, wenn das Kabinett und der Vizepräsident den Präsidenten als amtsunfähig erklären und seiner Aufgaben entbinden. Da viele Stühle aber leer und die anderen mit Speichelleckern besetzt sind, ist das kein realistisches Szenario. Wie auch eine Amtsenthebung im Kongress an den Republikanern scheitern würde.
Die größere Tragik als Trumps Eskapaden sind ohnehin die Helfershelfer um ihn herum, die dem Wahnsinn tatenlos zuschauen. Allen voran seine eigene Partei, die bis auf wenige Ausnahmen moralisch längst abgedankt hat. Eine davon ist der republikanische Stratege Rick Wilson, der eindringlich davor warnt, das bizarre Verhalten des Präsidenten nicht als kalkulierte Unberechenbarkeit („Madman Theorie“) zu überhöhen. Sein Urteil: „Das ist ein verrückter Mann.“
Spätestens jetzt sollte klar sein, dass der „König von Israel“, beste Präsident seit Lincoln und jetzt auch „Auserwählte“ das Gegenteil von einem stabilen Genius ist. Eine beunruhigende Perspektive angesichts der Tatsache, dass dieser Mann seine Hand am Atomknopf hat.
+++Um 8.19 Uhr aktualisiert+++
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