
Vom Selbstlob über die erfolgreiche Bekämpfung der ersten Corona-Welle ist keine Rede mehr. „Das Ding ist uns entglitten“, räumt Angela Merkel nun Schwächen des Krisenmanagements von Bund und Ländern ein. Die Kanzlerin macht sich mit ihren Beratern Gedanken über die „mittlere Leistungsfähigkeit“ der Gesundheitsämter sowie über digitale Defizite in den Verwaltungen. Denn vielerorts brachen im Herbst die Strukturen schnell zusammen, Infektionsketten blieben unerkannt, die Zahlen stiegen und stiegen und sind nach drei Monaten Lockdown immer noch zu hoch.
Probleme aus den Anfangstagen der Seuche sind noch immer nicht gelöst. Es wurden zwar sechs Milliarden Euro im Digitalfonds bereitgestellt, aber nicht für die Umsetzung beschlossener Maßnahmen gesorgt. Nur 580 Millionen wurden abgerufen. Das Ergebnis: Ein Drittel der etwa 400 Gesundheitsämter ist bisher erst an das digitale Corona-Management „Sormas“ angeschlossen. An Wochenenden wird zudem in vielen Städten und Landkreisen weniger getestet. Als ob das Virus dann Pause macht. Und die mit viel Bohei gestartete Corona-App ist praktisch nutzlos.
Große Versprechen wie der Schutz der Alten wurden nicht eingelöst, weil FFP2-Masken fehlten und zu wenig getestet wurde. Erst jetzt hat Gesundheitsminister Jens Spahn die von Virologen schon lange geforderten Gen-Sequenzierungen zur Feststellung von Virus-Mutationen auf den Weg gebracht. Die digitale Infrastruktur mit Funklöchern und instabilem Internet bedeutet für viele Schüler Chaos-Lernen. Dabei wollte man doch Schulschließungen unbedingt vermeiden. Auch das vollmundige Versprechen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der vom Lockdown betroffenen Wirtschaft unbürokratisch und schnell zu helfen, scheiterte weitgehend im föderalen Dschungel der Finanzämter und Landesbehörden.
Die Politik der schwarzen Null und die Ideologie vom schlanken Staat haben die Verwaltungen personell ausgedünnt und so die Modernisierung vieler Behörden behindert. Angela Merkels Analyse lenkt einen nicht so schönen Blick auf die Bilanz ihrer bald 16-jährigen Kanzlerschaft.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.