
Seine Jugendlichkeit und Energie wirkten wie ein Versprechen von Modernität und Aufbruch. Schluss machen werde er mit Frankreichs Jahren der wirtschaftlichen Schwäche und reformerischen Zaghaftigkeit, das politische System mit seinem überkommenen Links-Rechts-Schema aufbrechen und dem Land wieder zu internationaler Bedeutung verhelfen.
Gerade ist Präsident Emmanuel Macron an der Halbzeit seiner fünfjährigen Amtsperiode angelangt. Wie angekündigt ging er innenpolitisch mit unbeirrbarer Entschlossenheit einige heiße Eisen wie eine unpopuläre Bahnreform, die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und eine Reform der beruflichen Bildung an. Weitere umstrittene Projekte wie der Umbau der Arbeitslosenversicherung und des Rentensystems sind gerade in Arbeit und dürften bald zu einer Streikwelle führen.
Das droht auch die Proteste der „Gelbwesten“ wieder anzufachen, die die Regierung von November 2018 an über mehrere Monate hinweg unter Druck setzten und zu Zugeständnissen unter anderem beim Mindestlohn zwangen. Um das aufgeheizte soziale Klima zu beruhigen, gab Macron, der zunächst nicht hatte zurückweichen wollen, seinen Kritikern nach. Sie werfen ihm eine Politik für die Bessergestellten vor und sehen die Abschaffung der Reichensteuer als Beleg dafür.
Obwohl der Präsident seine neu gegründete LREM-Partei in der politischen Mitte ansiedelte, gilt sein Kurs längst als klassisch bürgerlich-rechts, ob bei der wirtschaftlichen Ausrichtung mit Abgabenentlastungen für Unternehmen oder in der Innenpolitik mit einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze und der Asylregeln. Heute befürworten überwiegend Anhänger der Rechtskonservativen seine wirtschaftsfreundliche Politik, mit der er in zweieinhalb Jahren die Arbeitslosigkeit von 9,7 auf 8,5 Prozent senkte.
Und sie visiert der Präsident auch als seine wichtigste Zielgruppe für die künftigen Wahlen an, um die Republikaner ähnlich abzudrängen wie die Sozialisten, die fast vollständig von der politischen Landkarte verschwunden sind. Macrons Hauptgegnerin bleibt damit die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Was ihm nützt, weil sie trotz ihrer gestiegenen Beliebtheit für viele Franzosen unwählbar bleibt und er damit die einzige Alternative ist.
Auch außenpolitisch machte der junge Präsident viel Wind. Als Gastgeber des diesjährigen G7-Gipfels versuchte er im Iran-Konflikt zu vermitteln und trat als Ideengeber für eine reformierte EU auf. Tatsächlich hatte er in seiner Sorbonne-Rede ehrgeizige Vorschläge für einen Umbau der Union und der Eurozone sowie eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik parat und war zu Recht enttäuscht über ausbleibenden Enthusiasmus der anderen europäischen Partner, allen voran in Deutschland.
Doch zugleich irritierte der vermeintlich moderne 41-Jährige mit einem autoritären Politik-Verständnis, das nicht auf Konsens, sondern auf Gefolgschaft baut – auch auf die Gefahr hin, sich zu isolieren. So blockierte er die lange versprochenen EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien und stellte sich gegen die Verlängerungen des Brexit-Termins. Als das europäische Parlament seine Kandidatin für die EU-Kommission, Sylvie Goulard, ablehnte, gab er entrüstet der künftigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Schuld an der Blamage.
Macrons Hang zu schockierenden Aussagen verstört nicht nur in Frankreich, wo er etwa einem arbeitslosen Gärtner riet, er brauche „nur über die Straße gehen“, um einen Job in der Gastronomie zu finden. Kurz bevor er am Sonntag anlässlich des Mauerfall-Jubiläums nach Berlin kam, sagte er gegenüber dem britischen Magazin „The Economist“, bei der Defizit-Grenze von drei Prozent handele es sich um eine „Debatte aus einem anderen Jahrhundert“. Und auch für seine Erklärung, die Nato sei „hirntot“, erntete er Widerspruch unter anderem von Kanzlerin Angela Merkel.
Es sind die zwei Seiten des Emmanuel Macron: Mal provoziert er, dann schmeichelt er wieder. So wie er vor einem Jahr vor Abgeordneten im Deutschen Bundestag sagte, dass „Frankreich Sie liebt“. Hier der aufgeschlossene Newcomer, dort der kompromisslose Machtmensch. Während seine Beliebtheitswerte in Frankreich auch aufgrund dieses verstörenden Wechselspiels von 64 Prozent bei seiner Wahl im Mai 2017 auf derzeit 34 Prozent gefallen sind, hat sich europaweit ebenfalls Ernüchterung eingestellt: Macron ist nicht einfach nur der „Retter Europas“, als der er stilisiert wurde. Er ist auch ein schwieriger Partner, der die Union wie auch seine Landsleute herausfordert.
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