
Bremen und seine Unternehmen stecken mitten in der digitalen Transformation. Es ist verständlich, dass die Unternehmen vor allem an den technologischen und ökonomischen Aspekten des digitalen Wandels und dessen Gestaltung interessiert sind. Die Politik dagegen kann sich eine solche Engführung nicht leisten. Sie muss auch die politischen, kulturellen und rechtlichen Implikationen der Digitalisierung im Blick haben. Die Selbstentfesselungskräfte der digitalen Revolution treiben im Moment die Politik vor sich her, und diese kommt kaum dazu, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine verträgliche Gestaltung des damit verbundenen Wandels zu setzen.
Arbeitsplätze und Arbeitswelten, Verwaltungsabläufe, die Art der medizinischen Behandlung und Versorgung, das Kommunikations- und Konsumverhalten sowie die Mobilität verändern sich in einem rasanten Tempo. Auch Erziehung und Bildung werden durch die Digitalisierung herausgefordert – wobei der Ruf nach mehr digitaler Technik im Unterricht noch lange keinen Fortschritt bei der Erziehung zu eigenständigem Denken und zur Kreativität bedeutet. Dass der digitale Wandel auch ethische Grundsätze berührt, wird zum Beispiel bei der Frage nach den Folgen des automatisierten Fahrens deutlich. Wer haftet wann wofür? Und nicht zuletzt gibt es viele ungelöste Probleme bei der Datensicherheit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
In vielen anderen Bereichen lassen sich die Folgewirkungen der Digitalisierung in ihrer ganzen Tragweite noch gar nicht überblicken, aber wenn im Zuge dieser Entwicklung Berufstätige mit geringer oder mittlerer Bildung weiter vom Arbeitsmarkt verdrängt werden, wird sich das Auseinanderdriften der Gesellschaft verstärken. Auch kleine Handwerksbetriebe und mittelständische Unternehmen, denen die personellen und finanziellen Ressourcen für digitale Innovationen fehlen, kommen schnell unter die Räder globalisierter Märkte, auf denen neue Anbieter ihre Produkte und Dienstleistungen weltweit anbieten. Vor diesem Hintergrund kann Digitalisierung auch bereits vorhandene soziale Verwerfungen, politische Enttäuschungen und Entfremdungseffekte verstärken.
Ihre vermeintlichen Errungenschaften müssen deshalb immer wieder kritisch hinterfragt und traditionelle Kulturtechniken bewahrt werden. Digitalisierung wird jedenfalls nur dann Akzeptanz finden, wenn sie politisch und rechtlich in ein zeitgemäßes Korsett eingebettet wird, welches dem ersten Satz des Artikels 12 der Bremischen Landesverfassung folgt: Der Mensch steht höher als Technik und Maschine.
Unser Gastautor
Lothar Probst ist Professor und Mitglied des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Bremen. Bis zu seiner Pensionierung im April 2016 war er dort Leiter des Arbeitsbereichs Wahl-, Parteien- und Partizipationsforschung.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.