
Berlin. Schweine können durch Quieken ihren Unmut ausdrücken – aber können sie auch klagen? Die Tierrechtsorganisation Peta will das höchstrichterlich klären lassen. An diesem Dienstag wird der Verein im Namen gequälter Ferkel Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Das Besondere: Die Ferkel selbst sollen als Rechtspersonen auftreten, sind formal und inhaltlich Beschwerdeführer. Dass Tiere so an einem Prozess teilnehmen, ist in Deutschland eine Neuheit – und höchst umstritten. Die Karlsruher Richter könnten die Verfassungsbeschwerde der Schweine deshalb bereits an der Zulässigkeit scheitern lassen. Dann käme es gar nicht mehr zu der materiellen Prüfung.
Hintergrund der Verfassungsbeschwerde ist die von Tierschützern als Quälerei angeprangerte Praxis der Kastration der Schweine. Jährlich werden etwa 20 Millionen männliche Ferkel in Deutschland kurz nach der Geburt kastriert, um den „Ebergeruch“, der den Geschmack des Fleisches beeinträchtigt, zu vermeiden. Die Prozedur erleben die Schweine bei vollem Bewusstsein.
Bereits 2013 wurde das Tierschutzgesetz dahingehend geändert, dass die betäubungslose Kastration nur noch bis Ende Dezember 2018 erlaubt sein sollte, dann aber beschloss der Bundestag am 29. November 2018, die Frist um weitere zwei Jahre zu verlängern. Der Hintergrund: Den Bauern kam das Verbot zu früh. Der Kompromiss der Bundesregierung sah schließlich vor, dass es ab 2020 den Tierhaltern erlaubt sein soll, ihre Ferkel mit dem Narkosegas Isofluran selbst zu betäuben. Gegen diese Praxis und die gesetzlich festgelegte Verlängerung der Frist wendet sich nun Peta mit der Verfassungsbeschwerde.
„Trotz des Tierschutzgesetzes und des in der Verfassung festgeschriebenen Staatszieles Tierschutz werden jeden Tag unzählige Tiere gequält und misshandelt“, erklärt Harald Ullmann, zweiter Vorsitzender von Peta Deutschland. „Damit die geltenden Rechtsbestimmungen endlich auch praktisch durchgesetzt werden, ist es unerlässlich, dass Tiere als Rechtssubjekte behandelt werden und sie die Möglichkeit haben, die Durchsetzung ihrer Rechte vor Gericht einzuklagen.“
Laut Grundgesetz entscheidet das Bundesverfassungsgericht über „Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein“. Sind Schweine „jedermann“? Mit dieser Frage wird sich das Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen, denn die Antwort darauf wird entscheiden, ob Schweine – und andere Tiere – selbst in Karlsruhe klagen dürfen.
Christian Arleth, Syndikusanwalt von Peta, sagt: „Dass der Begriff ,jedermann‘ weit auszulegen ist, dürfte ja wohl klar sein.“ Streng genommen wären sonst ja bereits Frauen nicht mehr beschwerdebefugt. „Jedermann“ ist für Juristen derjenige, der Träger von Grundrechten ist. Dass die Schweine das Recht haben, selbst als Beschwerdeführer aufzutreten, leiten die Anwälte von Peta aus der bestehenden Rechtsordnung ab: Die Fähigkeit, eigene Grundrechte zu haben und einzufordern, hänge davon ab, ob eine Person von der Rechtsordnung als „interessensfähig und intrinsisch schutzwürdig angesehen“ werde, sagt Arleth. Dies sei bei den Ferkeln der Fall.
„Die Tiere werden bereits durch eine Strafrechtsnorm im Tierschutzgesetz um ihrer selbst willen geschützt. Es gibt den Grundsatz der Freiheit von Leid und Schmerzen für jedes einzelne Tier“, so Arleth. Daraus lasse sich der subjektive Rechtsschutz für die Tiere selbst und damit die Fähigkeit, diese Rechte selbst einzufordern, ableiten.
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