
Die SPD schießt quer. Die Corona-Pandemie lähmt zwar vieles im Land, den politischen Schlagabtausch lähmt sie nicht. Nur etwa acht Monate sind es noch bis zur Bundestagswahl. Für die Sozialdemokraten, die weiter im Umfragetief stecken, genau der richtige Moment, um in den Angriffsmodus zu wechseln. Die Große Koalition soll nicht verwechselt werden mit großer Eintracht, der Ton wird rauer zwischen SPD und Union. Einvernehmliche Krisenbekämpfung war gestern, jetzt wird ausgerechnet Corona zum ersten Wahlkampfthema. Eine gefährliche Gratwanderung, die die SPD da versucht.
Es begann mit Vorwürfen gegen Jens Spahn. Dem CDU-Gesundheitsminister wurde die Verantwortung für den schleppenden Impfstart vorgeworfen. Zu wenig Seren eingekauft, zu viel organisatorisches Durcheinander. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil preschte vor, Bundesvize Kevin Kühnert legte nach. Schnell eskalierte der Streit. Einige SPD-Ministerpräsidenten konfrontierten Spahn mit einem Fragenkatalog, Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz verlangte vom Kabinettskollegen Antworten.
Die Union konterte, sprach von „Tabubruch“ und „Foulspiel“. Die da noch amtierende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hielt der SPD vor, sie habe „den Weg der Vernunft verlassen“. Auf die Spitze getrieben wurde das Ganze von Außenminister Heiko Maas. Das SPD-Vorstandsmitglied stieß mit seiner Forderung nach einer Aufhebung von Corona-Beschränkungen für Geimpfte nicht nur in der Union auf Widerstand, sondern auch in seiner eigenen Partei – allen voran bei SPD-Justizministerin Christine Lambrecht. Eine Diskussion zur Unzeit nennt man Maas' Vorstoß wohl, schließlich sind in Deutschland noch nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung gegen Covid-19 geimpft.
So verständlich es aus Sicht der SPD auch ist, im Superwahljahr peu à peu auf Distanz zum ungeliebten Koalitionspartner zu gehen, das gewählte Thema war grundfalsch. Den Menschen fällt es schwer genug, die immer neuen und immer wieder geänderten Pandemie-Bestimmungen zu verstehen und einzuhalten. Sie nun noch mit einem koalitionsinternen Streit über Impfstoffbeschaffung und Impfstrategie zu behelligen, sorgt nur für neue Verunsicherung. Die SPD hat dafür zu Recht Prügel bezogen.
Kein guter Start also für die Sozialdemokraten in das Superwahljahr. Getrieben von der Sehnsucht, sich als SPD pur zu präsentieren und nicht nur als die eigentlich doch viel aktivere Partei im Regierungsbündnis mit der Union, greifen Scholz, Klingbeil und Kühnert an der falschen Stelle an. Klar, die SPD hat bitter erleben müssen, dass ihre Verdienste in Großen Koalitionen bei Bundestagswahlen regelmäßig ungewürdigt blieben.
Dennoch sollte sie zur Kenntnis nehmen, dass sie noch Regierungsverantwortung trägt. Die SPD kann jetzt nicht das Porzellan zerschlagen, das sie zusammen mit der CDU/CSU auf den Tisch gestellt hat. Natürlich hat die Koalition bei der Pandemiebekämpfung Fehler gemacht. Niemand soll sagen, er habe ein Patentrezept in der Tasche. Aber diese Fehler müssen auch gemeinsam verantwortet werden.
Wie es besser geht, zeigt SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil. Er präsentiert einen Gesetzentwurf nach dem anderen, setzt damit die Union unter Druck. Ob Grundrente, Hartz-IV-Reform oder Recht auf Homeoffice – auch so kann eine Regierungspartei für sich werben. Und wie man beim Thema Homeoffice sehen kann, zahlt sich sein langer Atem ja aus.
Und dann ist da noch der Kanzlerkandidat: Olaf Scholz wird bleiben, wenn Angela Merkel im Herbst das Kanzleramt verlässt. Seine Popularitätswerte sind beachtlich. Mit der Arbeit des Finanzministers sind laut ARD-Deutschlandtrend aktuell 55 Prozent der Befragten sehr zufrieden. Das kann sich sehen lassen – auch im Vergleich zu Markus Söder (57 Prozent), Jens Spahn (56 Prozent) und Armin Laschet (31 Prozent). Verlässlichkeit ist gerade in Krisenzeiten ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Der neue CDU-Vorsitzende hat diese Trumpfkarte gespielt. Olaf Scholz könnte dies für sich und die SPD nutzen, wenn ihn denn seine Partei voll unterstützt und keine überflüssigen Debatten vom Zaun bricht.
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