
Die „Süddeutsche Zeitung“ kommt mit wenigen Worten auf den Punkt: „Gekommen, um zu bleiben“ titelt sie. Es werden täglich mehr Menschen geimpft, heißt es im Text, und bis zum Herbst könne bestenfalls Herdenimmunität erreicht werden, bei entsprechender Impfbereitschaft. Aber, schreibt der Autor: „Alles deutet auf eine dauerhafte Koexistenz von Mensch und Virus hin.“ Dabei stützt er sich auf die Einschätzung des Virologen Hartmut Hengel und des Infektionsepidemiologen Hajo Grundmann, die beide an der Uni Freiburg lehren.
Die Gesellschaft müsse mit dem Virus leben lernen, mahnen auch andere Experten. Die Hoffnung, die Jahre 2020 und 2021 eines Tages einfach als Ausnahmeerscheinungen ablegen und zur Tagesordnung übergehen zu können, ist groß, aber zumindest in Teilen unberechtigt. Viren sind schlau im biologischen Sinne, es liegt in ihrer Natur, sich zu verbreiten. Das Erbgut des Erregers passt sich an seine Umwelt an. Das beweisen die bislang bekannten Mutationen und ihr vermutlich hohes Ansteckungspotenzial.
Auch Grippeviren mutieren ständig. Impfungen müssen regelmäßig wiederholt, Impfstoffe Jahr für Jahr angepasst werden, weil das Gedächtnis des menschlichen Immunsystems die angepassten Viren gewissermaßen nicht wiedererkennt und daher nicht tätig wird, um sie abzuwehren. Begünstigt wird die Verbreitung ansteckender Krankheiten durch die Globalisierung. Meere waren über Jahrtausende natürliche Barrieren für Schädlinge und Krankheiten, Pflanzen und Tiere. Seitdem kein Weg mehr zu weit ist, treffen Arten auf Arten, denen sie schutzlos ausgeliefert sind.
Die „Pharmazeutische Zeitung“ berichtete vor zwei Jahren über die Folgen eines deutsch-guatemalischen Schüleraustauschs: Die Nation in Zentralamerika galt seit 1998 frei von Masern, bis eine deutsche Jugendliche die hochansteckenden Viren einschleppte. Die britische Coronavirus-Mutation B.1.1.7 – die sich bereits weiter verändert hat – war schon Mitte Januar in 50 Staaten nachgewiesen. Bei den ersten in Bremen und Bremerhaven bekannten Personen, die sich nachweislich mit B.1.1.7 infiziert haben, handelte es sich um Reiserückkehrer. Auch die Varianten B.1.351 und P.1 verbreiten sich.
Auf Dauer mit Coronaviren leben lernen, was soll das heißen? Stehen wir am Anfang einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzung? Werden diese Jahre in die Geschichte eingehen als diejenigen, die den digitalen Wandel notgedrungen turbobeschleunigten, rasanter als den meisten Menschen lieb war? Online einkaufen, Artikel abholen oder sich bringen lassen werden zur Normalität, kulturelle Veranstaltungen wandern endgültig in die eigenen vier Wände ab, wo man sich am Bildschirm Konzerte und Theaterstücke ansieht oder durch Museen wandelt, alleine oder mit Freunden, die man dazu im Netz trifft.
Bleibt der Nachbarplatz für immer leer? Wird man sich nie wieder ins Getümmel stürzen können? Bleiben Masken unverzichtbares Utensil in geschlossenen Räumen? Werden Gastronomen und Einzelhändler nur noch halb so viele Kunden bedienen? Werden Restaurant- und Theaterbesuche entsprechend teuer und für Durchschnittsverdiener zu einem exklusiven raren Ereignis?
Möglich wäre es, nötig wird es hoffentlich nicht, aus vielerlei Gründen. Allerdings leiden diejenigen, die das Alte noch kennen- und schätzen gelernt haben, immer am meisten unter Neuem. Schon für die nächste Generation würde der Besitz einer FFP2-Maske so selbstverständlich zum Alltag gehören wie der eines Smartphones. Menschen tun sich mit unverhofften Veränderungen meist schwer, sie erwarten, dass sich ihre Umgebung an sie anpasst statt umgekehrt. Die Frage wird letztlich sein: Wer ist anpassungsfähiger, Mensch oder Virus?
Der Mensch kann Abwehrkräfte bilden, er kann Wirk- und Impfstoffe entwickeln, sich die Natur untertan machen kann er nicht. Bislang hat er – oft unter großen Qualen – noch jede schwere Krise und jede Seuche überlebt. Viren sind robust und wandlungsfähig. Menschen sind unwillig, aber lernfähig, sie sind selbstherrlich, handeln unvernünftig, verdammt zäh sind sie auch.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.