
Die Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 ist die Geburt der Bundesrepublik Deutschland. Dabei sollte das Grundgesetz zunächst gar keine neue deutsche Verfassung im eigentlichen Sinne sein, sondern „nur“ ein einheitliches staatliches Gebilde aus den drei westlichen Besatzungszonen machen, eben die Bundesrepublik.
Doch die elf Ministerpräsidenten der westlichen Bundesländer wollten die deutsche Teilung nicht durch eine eigene Verfassung zementieren. Indem sie eine Volksabstimmung über das Grundgesetz ablehnten, wahrten sie dessen provisorischen Charakter bis zur Wiedervereinigung 1990. Und darüber hinaus, denn die DDR ist dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten. Eine neue gesamtdeutsche Verfassung, wie sie der Schluss-Artikel 146 vorsieht, gibt es hingegen bis heute nicht.
Doch der Staatsrechtler, frühere CDU-Abgeordnete und kurzzeitige Verteidigungsminister Rupert Scholz meint, das Grundgesetz sei „mit dem Beitritt der fünf neuen Länder nach dem alten Artikel 23 endgültig gesamtdeutsche Verfassung geworden“. Artikel 146 sei bloß „die andere Option“ gewesen. Zudem beschreibe er „eine politische Selbstverständlichkeit, denn jede Verfassung verliert ihre Gültigkeit, wenn eine neue kommt“.
Eine Einsicht, der sich die sogenannten Reichsbürger stur verweigern. Die zumeist rechtsradikalen Sektierer verweisen darauf, dass die Weimarer Verfassung weder von den Nationalsozialisten noch von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges abgeschafft worden sei. Folglich bestehe das Deutsche Reich bis heute fort; die Bundesrepublik mit ihren Institutionen und Gesetzen erkennen die „Reichsbürger“ nicht an.
Was sich mit der Wiedervereinigung 1990 grundsätzlich änderte, war der Inhalt des Beitritts-Artikels 23. Er mutierte 1992 zum sogenannten Europa-Artikel: „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas“ solle Deutschland seinen Beitrag zur Entwicklung der Europäischen Union leisten. Deutschland kann der EU von nun an leichter Hoheitsrechte übertragen. Die Bundesregierung muss aber auch bei ihren Entscheidungen im Europäischen Rat den Bundestag beteiligen und berücksichtigen. Scholz begründet das so: „Europapolitik ist auch Innenpolitik, weil 80 Prozent unserer nationalen Gesetzgebung von Brüssel beeinflusst werden.“
Als Provisorium verstand sich auch die Verfassung der DDR, die am 7. Oktober 1949 vom Zweiten Deutschen Volksrat, der späteren Volkskammer, verabschiedet wurde. Wahlen, die dieses Parlament bestätigten, fanden jedoch erst 1950 statt, freilich nicht unter demokratischen Voraussetzungen. Die Sozialistische Einheitspartei (SED), entstanden aus der Zwangsfusion von KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone, hatte bereits ihre Alleinherrschaft zementiert. Laut Verfassung war die DDR ein föderaler Rechtsstaat mit der Volkskammer als oberstem Organ, doch das blieb bis zum Ende praktisch bedeutungslos.
Eine Generation nach der Wiedervereinigung ist aus dem Grundgesetz die langlebigste deutsche Verfassung geworden. Längst gilt das Grundgesetz als ein Vorbild für andere Verfassungen, gerade was die Stellung der Grundrechte angeht. „Eine solch kompakte und rechtsschutzmäßig abgesicherte Grundrechtsordnung gibt es auf der Welt kaum ein zweites Mal“, lobt Scholz in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“.
Der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ wurde wörtlich in die Europäische Grundrechtecharta übernommen. „Gerade junge Demokratien, auch in Südamerika und teils in Asien, haben sich stark am deutschen Grundgesetz orientiert“, bemerkt Scholz. Natürlich hat auch der Modellcharakter Grenzen. Scholz etwa ist skeptisch, was die Übertragbarkeit in islamische Staaten betrifft: „Der Islam ist im Grunde ein System des Gottesstaates. Das ist für uns bei der Trennung von Staat und Kirche ausgeschlossen.“
Und nahezu jeder Jurist, mit dem man über das Grundgesetz spricht, zitiert den Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Am Ende kommt es eben immer auf jeden einzelnen Bürger an.
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