
Der künftige US-Präsident Joe Biden will nach übereinstimmenden Medienberichten erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten einen Schwarzen zum Verteidigungsminister machen: den ehemaligen General Lloyd Austin. Das berichteten in der Nacht zum Dienstag (Ortszeit) der Fernsehsender CNN und die Nachrichtenseite Politico. Der 67-Jährige war bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand 2016 Kommandeur der US-Streitkräfte im Nahen Osten.
Bidens Entscheidung erwischte nicht wenige Insider auf dem falschen Fuß. Galt doch als ausgemachte Sache, dass die ehemalige Staatssekretärin im Pentagon Michèle Flournoy als erste Frau in dem Top-Job Geschichte schreiben sollte. Die erfahrene Sicherheitspolitikerin genoss breite Rückendeckung im Kongress. Der Name des pensionierten Vier-Sterne-Generals tauchte bei den Spekulationen über das Personaltableau des gewählten Präsidenten dagegen nur unter ferner Liefen auf. Dass er Bidens erste Wahl ist, verdankt der 1953 im Rassen-getrennten Südstaat Alabama zur Welt gekommene Austin neben seiner unbestrittenen Qualifikation für das Amt einer komplexen Gemengelage.
Einerseits besteht bei den afroamerikanischen Führern, die Biden zur Präsidentschaftsnominierung der Demokraten und in Schlüsselstaaten wie Georgia auch zum Sieg bei den Wahlen am 3. November verhalfen, die Erwartung, mehr Schwarze in Schlüsselpositionen der neuen Regierung zu sehen. Andererseits verlangt der starke progressive Flügel der Demokraten ein Tableau, das Prioritäten der Parteilinken reflektiert.
Den Ausschlag für Austin dürfte aber vor allem sein gutes Verhältnis zu Biden gegeben haben. „Es gibt mit ihm weniger Spannungen“, sagte ein Berater aus dem Umfeld Bidens, der als Vizepräsident Barack Obamas wiederholt mit Flournoy zusammengestoßen war. Zum Beispiel beim Thema Irak, wo sich Flournoy zusammen mit dem damaligen Generalstabschef Mike Mullen gegen eine Verringerung der Truppen ausgesprochen hatte. Austin, der seinerzeit die US-Streitkräfte im Irak führte, unterstützte Biden. Das war die Zeit, in der die beiden Männer sich persönlich kennen und schätzen lernten.
Sie entwickelten eine vertrauensvolle Beziehung, die nach der Berufung des Absolventen der renommierten West Point Academy an die Spitze der US-Army (2012-2013) und dann zum ersten schwarzer Befehlshaber des für den Mittleren Osten zuständigen Central Command für eine Zusammenarbeit ohne große Reibungsverluste führte. Austins militärische Laufbahn begann übrigens in Deutschland als Zugführer in der 3rd Infantry Division in Würzburg.
Biden schätzt an dem schüchternen General, der in seiner Karriere nur selten vor die Kameras trat, dessen Loyalität und Empathie. Austin ist das Gegenteil eines rhetorischen Haudegens, weil er den Preis des Krieges nur zu gut kennt. Für eine Kontroverse sorgte 2015 sein Auftritt vor dem Senat, als der inzwischen verstorbene Senator John McCain ihm Versagen beim Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vorhielt. Die Streitkräfte hatten seinerzeit 500 Millionen Dollar für die Ausbildung örtlicher Anti-IS-Kräfte ausgegeben und konnten nur eine Handvoll an einsatzfähigen Kämpfern vorweisen.
Kritisch sehen einige Analysten Austins Rolle im Aufsichtsrat des Rüstungshersteller Raytheon, die er 2016 nach seiner Pensionierung übernahm. Der größte Widerstand gegen seinen Aufstieg an die Spitze des Pentagon hat mit einem Gesetz zu tun, dass Militärs für sieben Jahre von der Übernahme eines Regierungsjobs ausschließt – es sei denn, der Kongress beschließt eine Ausnahme. Das gab es bisher nur zwei Mal in der Geschichte: 1950 erlaubte der Kongress, der Weltkriegs-Ikone George Marshall das Pentagon zu führen, und 2017 dem pensionierten Marine-General James Mattis.
Bidens langjähriger Berater Jim Golby appellierte in der „New York Times“ an den künftigen Präsidenten, nicht ein weiteres Mal die Brandschutzmauer zwischen ziviler und militärischer Führung zu schwächen. „Selbst wenn jemand wie Mr. Mattis die richtige Person für die Trump-Ära gewesen sei, ist diese Zeit nun vorbei.“ Der künftige Verteidigungsminister müsse dem Pentagon helfen, zur Normalität zurückzukehren.
Eine Prognose wagt derzeit kaum jemand, wie das Kräftemessen des gewählten Präsidenten mit dem Kongress ausgehen wird. Um als erster schwarzer Verteidigungsminister der USA Geschichte schreiben zu können, muss Austin vom Senat bestätigt
werden.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.
Also ...