
Kaum jemand kennt vermutlich so viele Details über den längsten Krieg der US-Geschichte wie Douglas Lute. Der Drei-Sterne-General koordinierte unter George W. Bush und Barack Obama die Afghanistan-Politik des Weißen Hauses. Was er den Ermittlern des „Sonderinspektors für den Wiederaufbau Afghanistans“ (SIGAR) sagte, fasst ungeschminkt den Tenor der 428 Interviews zusammen, die die Ermittler mit Militärs, Diplomaten und Regierungsexperten geführt hatten. „Uns fehlte ein fundamentales Verständnis für Afghanistan“, sagte Lute den SIGAR-Interviewern 2015. „Wir wussten nicht, was wir tun.“ Dann spekulierte der General über die politischen Konsequenzen des mindestens eine Billion Dollar teuren Kriegs, der auf amerikanischer Seite mehr als 2300 Menschenleben gekostet hat. Wer werde sich trauen, zu sagen, „das alles umsonst war“?
Als Lute das Interview gab, dachte er nicht, dass es einmal öffentlich wird. Genau das ist nun geschehen, nachdem die „Washington Post“ die Veröffentlichung von mehr als 2000 Seiten an Abschriften der Interviews sowie einiger Audiodateien gerichtlich erzwungen hatte. Die „Afghanistan-Papiere“ können nun im Internet nachgelesen werden. Sie zeichnen das verheerende Bild eines Krieges, in dem die Regierungen von George W. Bush über Barack Obama bis Donald Trump den Amerikanern versicherten, stetig Fortschritte zu machen. Bereits wenige Tage nach Beginn des Afghanistan-Kriegs versicherte Bush am 11. Oktober 2001, er werde sich nicht in ein neues „Vietnam“ hineinziehen lassen. Tatsächlich benutzte aber das Militär laut SIGAR-Interviews dieselben Durchhalteparolen und Taktiken. Ein Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats sagte den SIGAR-Interviewern, nachdem sich Obama zu einer Aufstockung der Truppen überreden ließ, habe der Druck aus dem Pentagon zugenommen, Erfolge zu berichten. „Die Zahlen sind während der gesamten Dauer des Kriegs manipuliert worden.“
Gemessen an dem Maßstab, den der frühere US-Diplomat James Dobbins 2009 aufgestellt hatte, laufen die Dinge nach 18 Jahren schlechter denn je. Mit 3804 getöteten Afghanen kamen laut UN-Statistik noch nie so viel Zivilisten ums Leben wie im zurückliegenden Jahr. Versprochen hatten die US-Regierungen auch, nicht in die Falle der „Staatenbildung“ zu tappen. Damit sind große Investitionen in den Aufbau einer modernen Zivilgesellschaft und Infrastruktur gemeint. Tatsächlich gaben die USA am Hindukusch mit inflationsbereinigten 133 Milliarden US-Dollar mehr Geld aus als für den Marshall-Plan nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. Jeffrey Eggers, der unter Bush und Obama als Afghanistan-Experte im Weißen Haus tätig war, sagte den SIGAR-Interviewern, „Osama bin Laden hat in seinem Wassergrab darüber gelacht, was wir in Afghanistan ausgegeben haben.“
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