
Der Wechsel von Verzicht und Genuss spielt in den drei großen monotheistischen Weltreligionen eine Rolle. Freudige Ereignisse will man auch ganz profan feiern; das leibliche Wohl gehört zum spirituellen Wohlbefinden. Deshalb endet in der christlichen Welt zu Ostern, dem Fest der Auferstehung, die Fastenzeit. Es kommt wieder Fleisch auf den Tisch, man genehmigt sich dazu einen guten Tropfen.
Süßigkeiten werden spielerisch verschenkt. Ähnlich halten es die Muslime in ihrem Fastenmonat Ramadan und am Aschura-Tag: Dem strikten Verzicht am Tage folgen üppige Essen nach Sonnenuntergang. Die Juden fasten am Versöhnungstag (Jom Kippur) und mehreren "kleinen" Fastentagen, Braut und Bräutigam aber auch am Tag ihrer Hochzeit.
In allen drei Religionen geht es darum, Gott zu besänftigen, indem man Reue zeigt und Buße tut, denn der Mensch ist eben fehlbar. Es geht somit aber auch um Vergebung, und die darf natürlich gefeiert werden. Für den Propheten Jesaja stärkt Verzicht zudem die ethische Empfindsamkeit. Für gläubige Juden ist deshalb beim Fasten sogar das Tragen von Leder tabu: Ein symbolisches Bekenntnis, dass auch Tiere, die man "nutzt", ein göttliches Recht auf Mitgefühl haben.
Permanente Askese hingegen ist etwas für angehende Heilige, aber nicht für die Mehrzahl der Menschen. Fernab jeder Religion kann man auch sagen, dass die dauernde Beschränkung auf das Nötigste schon Züge einer Zwangsstörung hat. Die katholische Kirche etwa verlangt dies nicht einmal jenen ab, die ihr Leben ganz in den Dienst des Glaubens stellen. Es ist kein Zufall, dass einige der besten Brauereien zu Klöstern gehören und einige der besten Weinlagen ebenfalls.
Diese Balance von Genuss und Verzicht ist dem weltlichen Fürsorge-Staat abhanden gekommen. Keine Woche, in der er nicht streng gemahnt, dass wir es übertreiben: mit dem Fleisch, mit dem Zucker, mit dem Alkohol, mit dem Fernsehen, mit dem Internet, mit dem Autofahren, mit den Fernreisen... Das wird dann mit furchterregenden Durchschnittswerten belegt: Einen Putzeimer reinen Alkohols pichelt "der Deutsche" pro Jahr!
So funktioniert die Propaganda des Nanny-Staates. Das Menschenbild dahinter ist reaktionärer als jenes orthodoxer Religionsvertreter: Der Bürger ist kein urteilsfähiges, selbstbestimmtes Individuum, sondern ein stets überforderter Patient, der autoritärer Zuwendung bedarf. Vor Genuss ist immer zu warnen, im Zweifel ist er zu verbieten.
Und während der Nanny-Staat seine hart arbeitenden, gesetzestreuen Bürger mit permanenten Belehrungen nervt, versagt er dort, wo er sie wirklich vor Auswüchsen schützen müsste: Wenn besoffene Chaoten nach Fußballspielen ganze Züge zerlegen, wenn Drogendealer ihren Geschäften weitgehend ungestört nachgehen können, wenn Gewalt auf Volksfesten wie an Schulen alltäglich wird. Aber dieser Befund sollte niemanden abhalten, wenigstens die Festtage zu genießen – ohne Reue und Bedenken.
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