
Der Blick ins Plenum des Deutschen Bundestages macht es deutlich: Weitaus mehr Männer als Frauen sind unter den Abgeordneten. Waren es in der vorigen Legislaturperiode (2013 bis 2017) noch 37,3 Prozent Frauen, sind es im aktuellen Parlament 31,4 Prozent. Eine Gruppe von Frauen hat angesichts dieser mangelnden Repräsentanz eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Am Dienstag sind sie damit vorerst gescheitert.
Die Beschwerdeführerinnen hatten Einspruch gegen die Bundestagswahl von 2017 eingelegt. Sie sahen das Grundrecht auf Gleichberechtigung verletzt, weil die Parteien ihre Listen nicht paritätisch besetzen mussten. Der Bundestag lehnte den Einspruch ab, woraufhin die Frauen vor das Bundesverfassungsgericht zogen.
Das Gericht hat nun entschieden, der Gesetzgeber sei „nur in seltenen Ausnahmefällen“ zu einem konkreten Handeln verpflichtet. Dies bedürfe einer besonderen Begründung – die aber hätten die Frauen nicht geliefert. Weiter heißt es, nicht nur der Gleichstellungsauftrag sei im Grundgesetz verankert, sondern auch die Freiheit der Wahl und die Parteienfreiheit. Zudem geben die Karlsruher Richter zu bedenken, dass Abgeordnete nicht einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, sondern dem ganzen Volk gegenüber verantwortlich seien. Es komme also gerade nicht darauf an, dass das Parlament ein „verkleinertes Abbild“ der Wählerschaft sei, heißt es weiter.
Für die Bremer Linken-Abgeordnete Doris Achelwilm ist die Entscheidung aus Karlsruhe keine Überraschung. Die Wahl 2017 könne ja nicht gegen ein Paritätsgesetz verstoßen haben, das es noch nicht gibt. Gleichwohl sei die Zurückweisung der Klage „kein Argument oder Signal gegen die Möglich- oder Notwendigkeit eines Paritätsgesetzes“, sagt Achelwilm. Das Problem der Unterrepräsentanz von Frauen im Bundestag liege vor allem an den Parteien rechts der SPD, die weder Listenplätze quotierten noch bei den Direktmandaten auf Ausgleich achteten. In der Linken-Fraktion sitzen 37 Frauen und 32 Männer, was einem Frauenanteil von 53,6 Prozent entspricht.
Tatsächlich ist der gesunkene Anteil von Frauen im Parlament nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar. Gerade Abgeordnete der AfD, unter deren 88 Abgeordneten neun Frauen sind, fallen immer wieder mit frauenfeindlichen Zwischenrufen auf. Etwa, als im Februar 2019 ein AfD-Abgeordneter die Grüne Britta Haßelmann mit einem Zwischenruf unterbrach. Als Haßelmann am Rednerpult sagte, dass die AfD besonders wenige Frauen in ihren Landesparlamenten sitzen habe, rief laut Bundestagsredeprotokoll ein Abgeordneter „Natürliche Auslese!“.
Aber auch in der Unionsfraktion und bei den Liberalen sind Frauen deutlich in der Minderheit. Von 246 CDU/CSU-Abgeordneten sind 51 weiblich. Und bei der FDP sitzen 61 Männer und 19 Frauen im Plenum. Deutlich besser ist der Anteil der Frauen unter den Abgeordneten bei den Sozialdemokraten (41,8 Prozent) und Grünen (58,2 Prozent)
Mit der Karlsruher Entscheidung geht der Streit um das Paritätsgesetz in die nächste Runde. Ulle Schauws, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, hat prompt erklärt, dies sei „eindeutig keine Absage an eine Paritätsregelung auf Bundesebene“. Der Gesetzgeber habe einen breiten Spielraum bei der Ausfüllung seines staatlichen Förderauftrages aus Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort steht, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Für das Anliegen der Parität ist jedoch vor allem der zweite Satz von Belang: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Dieser Staatsauftrag müsse nun endlich eingelöst werden, meint Schauws.
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