
Im sogenannten Klimapaket der Bundesregierung soll zur Verbesserung der Klimabilanz in Deutschland der Umsatzsteuersatz auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden. Diese Umsatzsteuerermäßigung kann aus mehreren Gründen kritisiert werden. Erstens, reduzierte Ticketpreise können zu mehr Nachfrage führen. Zusätzliche Nachfrage wird in einen Schienenfernverkehr gelenkt, der schon heute zahlreiche Qualitätsprobleme aufweist. Günstigeres Fahren in überfüllten, unpünktlichen Zügen.
Eine nachhaltige Qualitätsoffensive des gesamten Schienenfernverkehrs wäre zielführender als Steuermindereinnahmen. Zweitens bleibt unter anderem der Fernlinienbusverkehr unberücksichtigt. Noch ist die Datenlage zum Fernlinienbusverkehr klein. Wir wissen aber zumindest, dass Reisebusse bei den Treibhausgasemissionen (CO2-Äquivalente) laut Umweltbundesamt sogar noch CO2-ärmer sind als der Schienenfernverkehr. Richtig ist aber auch, dass Fernlinienbusse, anders als der Quasi-Monopolist Bahn, momentan nicht an Infrastrukturkosten beteiligt sind. Und Drittens wird mit der Umsatzsteuerermäßigung ein ökologisches, kein sozialpolitisches Ziel verfolgt. Keine Frage, Ermäßigungen sind verfassungsrechtlich zur Absicherung des Existenzminimums geboten. Auch können Ermäßigungen im „Gemeinwohlinteresse“ (hier: Klimaschutz) vorgenommen werden. Die Subvention für einen Verkehrsträger ist dann besonders zu rechtfertigen, insbesondere gegenüber anderen CO2-armen Aktivitäten im Sinne des Folgerichtigkeitsgebot.
Die Krux der Umsatzsteuerermäßigungen: Interessengruppen dürfen sich aufgefordert sehen, für einzelne, teils gegenläufige Ziele Ermäßigungen zu beanspruchen. Deshalb ist die Liste der teils traditionellen, teils kuriosen Steuerermäßigungen (zum Beispiel Taxifahrten, Schnittblumen, Milchmischgetränke mit mindestens 75 Prozent Milchanteil) auch so lang.
Ökonomisch sinnvoller wäre die Schaffung allgemeiner Anreize, bewusst zu handeln. Eine CO2-Steuer wäre – zwar verfassungsrechtlich knifflig – ein erster Schritt, CO2-Handel das Fernziel. Kohlendioxid-günstige Mobilität belohnen, indem CO2-intensive Mobilität teurer wird. Gleichzeitig sollte der ganze Wust an Umsatzsteuerermäßigungen bereinigt und auf das soziokulturelle Existenzminimum reduziert werden. Transparenz, (Subventions-)Klarheit, Einfachheit und Gleichbehandlung bei ökologisch ausgerichteten Instrumenten und der Umsatzsteuer sind anzustreben. Die Umsatzsteuerermäßigung für Bahnfahrkarten im Fernverkehr trägt nicht dazu bei.
Unser Gastautor
ist Professor am Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen, zuständig für Regionalentwicklung und Finanzpolitik. Der 48-Jährige ist Mitglied der Grünen.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.