
Auch nach der Regionalwahl in Katalonien zeichnet sich kein Ende der Unabhängigkeitskrise ab. Der Ausgang der Wahl am Sonntag bestätigte erneut, dass diese Region ziemlich unversöhnlich in ein antispanisches und ein prospanisches Lager gespalten ist. Ein Teil der Katalanen will die Abspaltung von Spanien, der andere Teil möchte weiterhin im Königreich bleiben.
Seit Jahren lähmt dieser Konflikt die Region, deren wirtschaftlicher Fortschritt zunehmend darunter leidet. Auch dem Tourismus schadet dies. Brüssel schaut ebenfalls besorgt auf Katalonien, wo die Leitidee des Zusammenwachsens durch den regionalen Nationalismus zerrieben wird. Schon seit über einem Jahrzehnt amtieren separatistische Regierungen in Barcelona. Dies hat auch dem Zusammenleben in Katalonien nicht gutgetan. Der Streit um die Unabhängigkeit hat Freunde, Familien und ganze Orte entzweit. Doch das hat die Lust auf Unabhängigkeit nicht wesentlich gebremst. Im jüngsten Wahlergebnis spiegelt sich, dass die Abdrift Kataloniens sogar stärker wird.
Erstmals erreichte die Unabhängigkeitsbewegung mehr als die Hälfte der Stimmen: Genau 50,7 Prozent erhielten zusammengerechnet die vier Separatistenparteien – drei Prozentpunkte mehr als im letzten Wahlgang. Aber ist das schon genug, um gegen den Willen der anderen Hälfte der Bevölkerung die Region von Spanien abzukoppeln?
Noch in der Wahlnacht schickte Kataloniens neuer starker Mann, Pere Aragonès, eine klare Botschaft an Spaniens Regierung: „Es ist die Zeit gekommen, um sich zusammenzusetzen und zu sehen, wie wir den Konflikt lösen können.“ Aragonès hat nach der Regionalwahl, die indirekt ein Plebiszit über die Unabhängigkeit war, die besten Chancen, Kataloniens neuer Ministerpräsident zu werden.
Der 38-jährige Anwalt ist Spitzenmann der Partei Esquerra Republicana (Republikanische Linke), jene Bewegung, welche in diesem Wahlgang 21,3 Prozent erhielt und damit das katalanische Separatistenlager künftig anführt. „Wir haben jetzt eine enorme Kraft, um ein Referendum durchzusetzen“, sagt er. Ein Unabhängigkeitsreferendum, das nach seinen Vorstellungen mit Madrid ausgehandelt werden soll.
Immerhin hat Aragonès, der bisherige Vize-Regierungschef Kataloniens, den Ruf, ein besonnener Mann zu sein, der auf Diplomatie setzt und einseitige Schritte Richtung Unabhängigkeit ablehnt. Seine Partei gilt als vergleichsweise moderat und dialogbereit. Das lässt hoffen, dass sich nicht jenes Fiasko wiederholt, das Katalonien und Spanien 2017 an den Rand einer gewaltsamen Auseinandersetzung brachte.
Damals suchten die Separatisten, die zu dieser Zeit von dem Hardliner Carles Puigdemont angeführt wurden, die offene Konfrontation mit Madrid. Erst peitschte Puigdemont ein illegales Unabhängigkeitsreferendum durch, dann folgte eine nicht weniger gesetzeswidrige Abspaltungserklärung. Spaniens Regierung schlug mit Härte zurück. Der damalige katalanische Ministerpräsident wurde abgesetzt, etliche Separatistenführer zu Gefängnisstrafen verurteilt, Puigdemont floh nach Belgien.
Seine Partei Junts per Catalunya“ (Zusammen für Katalonien) musste in der Wahl am vergangenen Sonntag Federn lassen und die Führungsrolle des Unabhängigkeitslagers an die gemäßigtere Esquerra abgeben. Das ist eine Machtverschiebung im Separatistenblock. Und es ist ein positives Zeichen, dass die künftige Separatistenregierung es nun mit Verhandlungen und nicht wieder mit der Brechstange versuchen will. „Wir haben die Lektion aus den Vorkommnissen in 2017 gelernt“, heißt es dazu im Umfeld von Aragonès.
Diese Einsicht könnte helfen, die ausgestreckte Hand von Premier Pedro Sánchez zu akzeptieren und sich an den angebotenen runden Tisch zu setzen. Sánchez lehnt zwar die Unabhängigkeit Kataloniens ab, weil in der Verfassung die Einheit der Nation verankert ist. Weitere Fortschritte auf dem Weg zu mehr Selbstverwaltung kann sich Sánchez aber sehr wohl vorstellen. Und das würde ja vielleicht schon helfen, um die Wogen des Konfliktes ein wenig zu glätten.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.