
Die Einladungen sind schon geschrieben. Europäische Union und Nato, aber auch die Regierungen der EU können es nicht erwarten, den künftigen US-Präsidenten Joe Biden zu empfangen – möglichst in den nächsten Monaten. Dabei bleibt der Satz richtig, mit dem Demokraten im Weißen Haus werde vielleicht nicht alles anders, aber in jedem Fall deutlich angenehmer, falls die über Jahre hinweg von Donald Trump gedemütigten Europäer ihn ernstnehmen. Denn auch wenn das Gespann Joe Biden und Kamala Harris die Parole „America First“ ihres Vorgängers kaum wiederholen dürfte, in der Sache bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als diese Linie fortzusetzen.
Ein zerrissenes und von der Pandemie zutiefst beschädigtes Land muss geheilt und wieder aufgebaut werden. Sowohl in der Außen- als auch in der Handelspolitik wird Europa vielleicht auf Korrekturen, aber sicherlich nicht auf eine Wende hoffen können. Die demokratische US-Wirtschaftspolitik braucht Stellen, Perspektiven und Innovationen. Die verhassten EU-Zölle für amerikanische Exporte müssen deshalb weg, was ohne entsprechende Vorleistung der USA bei ihren Importabgaben nicht funktioniert. Das ist gut, die Auto-, Stahl- und Aluminium-Hersteller können hoffen. Aber ob die neue US-Administration tatsächlich so weit geht, einen gemeinsamen transatlantischen Freihandelsraum zu errichten, erscheint eher fraglich.
Für Europa bedeutet dies, auch künftig nicht mit den USA als Führungsmacht rechnen zu können. Die Gemeinschaft muss sich auf ihre eigenen Fähigkeiten konzentrieren und selbstbewusster auftreten. Das Zeug dazu hat sie, aber dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt. Ob es strategisch klug war, das Investitionsabkommen mit China noch schnell abzuschließen, bevor Washington sich mit Brüssel zu einer Allianz gegen Peking zusammenschließen konnte, darf bezweifelt werden. Zumal sich die US-amerikanischen Handelsexperten leichttun dürften, diesen Vertrag in der Luft zu zerreißen, weil die EU sich auf Absichtserklärungen und leere Versprechungen eingelassen hat. Das ist nicht das, was der US-Präsidenten erwartet. Er braucht, vorrangig zur Sanierung des eigenen Landes, substanzielle Fortschritte, die sich auf die Wirtschaft spürbar auswirken.
Der neue Mann im Weißen Haus sucht deshalb Helfer für seine Mission, um die Folgen von vier Jahren Trump zu überwinden. Ob ein erneuerter Schulterschluss mit Europa dabei nützlich ist, liegt auch an den EU-Regierungen selbst. Da gibt es einige, die aus ihrer Trump-Verehrung nie einen Hehl gemacht haben. Ob sie bereit sind, Bidens Schwenk zum Multilateralismus mitzumachen, ist noch längst nicht sicher. Das würde von ihnen ja auch eine gravierende Änderung ihrer Konfrontation mit der EU bedeuten. Diese Antwort muss in Prag, Warschau oder Budapest gegeben werden.
Die EU sollte wissen, dass sie Biden nicht nur deshalb mit offenen Armen begrüßen darf, weil er eben nicht mehr Trump ist. Die Gemeinschaft braucht ein politisches Angebot, das den USA entgegenkommt – außenpolitisch im Iran, in Russland, in Afrika. Aber auch in der Umweltpolitik, beim Klimaschutz, bei der Energiesicherheit. In der Wirtschaftspolitik müssen Brücken gebaut werden, wenn es um die Digitalsteuer geht, die hauptsächlich US-Konzerne trifft. Und nicht zuletzt muss in der Gesundheitspolitik zusammengearbeitet werden, wo für den Kampf gegen das Coronavirus die Solidarität mit den weniger entwickelten Staaten nötig ist. Denn auch die, die sich keinen Impfstoff leisten können, brauchen ihn.
In diesem Prozess reicht es nicht, wenn die EU freudig erregt auf den neuen Präsidenten wartet. Die Gemeinschaft muss ebenso wie die Nato verstehen, dass zu einer Partnerschaft zwei gehören und beide etwas einbringen. Um die USA wieder zu einem Verbündeten zu machen, muss sich auch Europa ändern und Partnerschaft neu definieren: Protektionismus ist nämlich nicht nur schlecht, wenn er wie zum Beispiel bei Boeing von Washington ausgeht, sondern auch dann, wenn er wie beim Fall Airbus aus Europa kommt.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.