
Ursula von der Leyen steht massiv unter Druck. Als die Präsidentin der EU-Kommission am Mittwoch vor das europäische Abgeordnetenhaus in Brüssel trat, wusste sie, dass linke Parlamentarier später ihren Rücktritt fordern würden. Und dass die große Mehrheit von Christ- und Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen ihr auch nur dann Rückendeckung geben würden, wenn sie zu den Fehlern und Pannen bei der Impfstoffbestellung stehen und diese korrigieren würde. „Wir waren zu spät dran bei der Zulassung. Wir waren zu optimistisch bei der Massenproduktion. Und vielleicht waren wir uns zu sicher, dass das Bestellte auch tatsächlich pünktlich geliefert wird“, erklärte sie. Das musste als Blick zurück reichen.
Der Mann, auf den sie nun setzt, heißt Thierry Breton. Der 66-jährige Franzose weiß, wie man mit Chefs von Unternehmen sprechen muss. Bevor er in Brüssel das zentrale Binnenmarkt-Ressort der EU-Kommission übernahm, war er der Mann an der Spitze von France Telecom. Nun soll er zusätzlich die Impfstoff-Strategie der EU koordinieren, also nach vorne bringen – und sich mit Partnern wie Pfizer, Biontech, Astra-Zeneca oder Johnson&Johnson auseinandersetzen. „Wir haben eine Task Force gegründet, die die Probleme bei der Herstellung von Impfstoffen identifizieren und beseitigen soll“, kündigte von der Leyen an. Das Ziel bleibe: Bis zum Sommer sollen 70 Prozent aller 350 Millionen impffähigen EU-Bürger vor dem Coronavirus und seinen Mutanten geschützt sein.
Die Kommissionspräsidentin weiß, wie viele Stolpersteine auf dem Weg dahin zu überwinden sind. Um Impfstoffe herzustellen, seien bis zu 400 verschiedene Komponenten nötig, erklärte sie den Volksvertretern aus den 27 Mitgliedstaaten. Es seien die Lieferketten, bei denen es hakt. Das bestätigen inzwischen auch die Chefs der Pharmafirmen selbst. Die Europäische Volkspartei (EVP) schlug deshalb vor, zehn Milliarden Euro bereitzustellen, um Schwachpunkte in der Produktion zu beseitigen. Der Vorstoß liegt auf dem Tisch, die EU-Staats- und Regierungschefs könnten bei ihrem nächsten virtuellen Gipfeltreffen Ende des Monats entscheiden.
Aber das ist nur eines von vielen Problemen. Biontech hat beispielsweise seine neue Fertigung in Marburg aufgenommen. Man produziert bereits – aber nur auf Halde. Zunächst müssen Proben einer ersten Charge von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) geprüft und zugelassen werden. Das dauert. Hinzu kommen Vorwürfe mangelnder Transparenz. Künftig soll es eine gemeinsame Arbeitsgruppe von EU-Kommission und -Parlament geben, sodass für mehr Transparenz gesorgt werde. Von der Leyen holt also die Volksvertreter mit ins Boot.
Doch die meisten Schwierigkeiten bereiten die politischen Bedingungen. Noch im Februar dürfte der US-Konzern Johnson&Johnson die EU-Zulassung für sein Vakzin bekommen. Das Produkt wird in Belgien und den Niederlanden von Janssen Pharmaceutica produziert. Johnson&Johnson besteht aber darauf, dass die Abfüllung im US-Bundessstaat Michigan erfolgt. Dürfen die fertigen Ampullen dann wieder in die EU ausgeführt werden? Im schlimmsten Fall müsste die EU noch monatelang auf die Dosen warten. Es wäre ein weiterer Rückschlag.
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