
Die Bundesregierung will Urteile nach dem Homosexuellen-Paragraf 175 aufheben und die Betroffenen entschädigen.
Helmut Kress war 15 Jahre alt, als die Polizei ihn an seinem Ausbildungsplatz festnahm und in Handschellen abführte. 1961 war das. Er kam für 14 Tage ins Gefängnis, Einzelhaft. Sein Vergehen: Er hatte homosexuelle Kontakte. „Das war grausam, wie in einem Zuchthaus“, erinnert sich der heute 71-Jährige. Kress hatte zu diesem Zeitpunkt einen Freund.
Sie trafen sich in einem Wochenendhaus von dessen Eltern. Sexuelle Handlungen unter Männern waren in der Bundesrepublik bis 1969, in der DDR bis 1968 strafbar. Gänzlich abgeschafft wurde der schwulenfeindliche Paragraf 175 erst im Jahr 1994. „Man kann doch nichts für seine Gefühle“, sagt Kress.
Der junge Mann verlor seinen Arbeitsplatz. Als seine Mutter kurz vor seinem Gerichtsprozess starb, sagte sein Vater nur: „Sei froh, dass deine Mutter das nicht mehr miterleben muss.“ Bis heute ist Kress nicht entschädigt und rehabilitiert worden. Das soll sich nun ändern. Am Mittwoch hat das Kabinett einen entsprechenden Gesetzesentwurf beschlossen.
Eklatantes Unrecht
Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Der Entwurf sieht eine Aufhebung der Verurteilungen von Personen vor, die nach dem 8. Mai 1945 in der heutigen Bundesrepublik wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilt wurden.
„Die Rehabilitierung von Menschen, die allein wegen ihrer Homosexualität vor Gericht standen, ist wirklich überfällig“, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD). Homosexuelle Menschen seien strafrechtlich verfolgt, verurteilt und geächtet worden – mit katastrophalen Auswirkungen für ihr soziales Leben. „Diese Urteile sind aus heutiger Sicht eklatantes Unrecht und verstoßen gegen die Menschenwürde. Wir werden erlittenes Unrecht dadurch nicht wieder gutmachen können, aber wir können ein Zeichen setzen, dass der Rechtsstaat auch in der Lage ist, seine Fehler zu korrigieren“, erklärte Maas weiter.
Den Betroffenen stehen 3000 Euro plus 1500 Euro für jedes angefangene Jahr Gefängnis zu. Insgesamt hat es in dieser Zeit 64.000 Urteile gegeben. Man könne aber keine exakten Zahlen liefern, wie viele dieser Verurteilten noch lebten. „Wir rechnen mit 5000 Anträgen auf Rehabilitation“, so der Justizminister.
Nicht nur verurteilte Menschen sollen entschädigt werden
Nach Darstellung der Unionsfraktion wurde der ursprüngliche Entwurf erst auf Drängen der Union verändert. „Dass wir uns erst jetzt im parlamentarischen Verfahren mit dem Gesetzentwurf beschäftigen können, ist vor allem den Mängeln des Ausgangsentwurfs des Bundesjustizministers geschuldet. Unserer Ansicht nach darf keine Rehabilitierung für Handlungen erfolgen, die nach dem heutigen Recht strafbar wären“, erklärte die rechtspolitische Sprecherin, Elisabeth Winkelmeier-Becker.
Solche Wertungswidersprüche seien erst durch das beharrliche Fordern der Union im Gesetzentwurf entkräftet worden, sagte sie. Harald Petzold, queerpolitischer Sprecher der Linken, nannte den Gesetzentwurf „nicht ausreichend“. Deshalb „treten wir für eine Individualentschädigung von 9125 Euro und die Einführung einer Opferrente ein“. Außerdem sollten auch Menschen entschädigt werden, die zwar nicht verurteilt, die aber durch Ermittlungs- und Strafverfahren erheblich benachteiligt und belastet wurden.
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