
Sie ist immer noch das größte und stärkste Militärbündnis, das die Welt je gesehen hat. Aber sie steht erkennbar unter großem Druck: die Nato. Deutlich wurde dies in der zurückliegenden Woche beim Treffen ihrer Verteidigungsminister: Der ausbleibende Erfolg in Afghanistan war dort ebenso Thema wie die Auseinandersetzung mit Russland. Überschattet wurde dies zudem von internen Konflikten Europas mit der Führungsmacht USA, aber auch mit dem extrem wichtigen Partner Türkei.
Nun werden die Truppen für den Ausbildungs- und Beratungseinsatz in Afghanistan wegen der prekären Sicherheitslage von rund 13.000 auf 16.000 Soldaten erhöht. „Was soll das denn bringen? Einen Anschlag weniger?“, fragt der „Spiegel“. „Wenn man in Afghanistan überhaupt etwas erreichen kann, dann nur mit großem Engagement. Da die Nato dazu nicht bereit ist, sollte sie ihre Niederlage eingestehen und aus Afghanistan verschwinden.“
Stimmt – und stimmt wieder nicht. Natürlich ist ein Krisengebiet von der Größe Frankreichs und extrem schwierigem Terrain nicht mit 16.000 eingeflogenen Soldaten zu befrieden. Es geht aber auch nicht mit der zehnfachen Stärke – fast so groß war die alliierte Streitmacht zu Spitzenzeiten. Entscheidend ist, dass die Afghanen selbst ihren Staat sicher und stabil machen.
Das aber haben sie bislang nicht annähernd geschafft: Ein Drittel des Landes ist umkämpft, ein knappes Siebtel mehr oder weniger an die Taliban verloren. Allein 8000 Sicherheitskräfte wurden 2016 getötet. Also nach 16 Jahren einfach „Shit, hat nicht geklappt, wir rücken ab“ sagen? Das wäre der totale Bankrott der Nato.
"Die Kosten eines Scheiterns wären groß - weltweit."
In Europa könnte man schon mal die Zelte und Container für die nächste Flüchtlingswelle aufbauen – wenn man Glück hat. Wenn es schlecht läuft, bleiben Hunderttausende, ja Millionen Vertriebene in der Region, radikalisieren sich und destabilisieren angrenzende Staaten wie die asiatischen GUS-Republiken oder die Atommacht Pakistan.
Das ist es wohl, was John Nicholson meinte, als er vor einer Preisgabe Afghanistans warnte: „Die Kosten eines Scheiterns wären groß – weltweit.“ Der Mann ist kommandierender US-General vor Ort. Abzug ist also keine Option. Aber die Nato muss deutlich effektiver werden.
Wenn etwa von den knapp 1000 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan keine 100 Afghanen ausbilden und die Masse vor allem mit der eigenen Versorgung und Verwaltung befasst ist, stimmt etwas nicht. Wenn schon innerhalb Europas die rasche Verlegung von Truppen an verkehrstechnischen, rechtlichen und regulatorischen Hürden scheitert, stimmt ebenfalls etwas nicht.
Um glaubwürdig zu bleiben, muss die Nato beides können: ihr Territorium verteidigen und auch außerhalb Gefahren abwehren. Zwei neue Hauptquartiere zur besseren Planung und Führung sind ein wichtiger Schritt. Das Ringen um Effizienz findet sogar in der Region statt: In Garlstedt werden künftig Logistiker aller Bündnispartner für Einsätze geschult.
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