
Was Bundesarbeitsminister Hubertus Heil jetzt an Neu-Regelungen für Langzeitarbeitslose plant, das ist mitnichten der „Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen“, wie es Sozialexperten von CDU und FDP befürchteten. Was Heil mit Blick auf die Bundestagswahlen angeht, ist lediglich die Ungerechtigkeiten und Härten zu beseitigen, die ein Geburtsfehler der – im Prinzip richtigen – Grundsicherungsreform waren.
Wenn also künftig Hartz IV-Empfänger nicht sofort aus einer zu großen Wohnung ausziehen müssen, angespartes Vermögen für eine Übergangszeit nicht angerechnet wird, ist das lediglich die Korrektur eines Gerechtigkeitsdefizits, das die Hartz-Reformen und ihre SPD-Gründerväter wie ein Kainsmal mit sich herumgeschleppt haben. Der ursprüngliche Sanktionskatalog sah kaum einen Unterschied vor zwischen Leistungsbeziehern, die bereits jahrzehntelang Sozialversicherungen und Steuern gezahlt, und Empfängern, die bis dato keinen oder nur einen geringen Beitrag zur Erwirtschaftung von Transferleistungen erbracht hatten.
Außerdem will Heil dauerhaft gesetzlich regeln, dass Kürzungen 30 Prozent des Regelbedarfs nicht überschreiten. Damit schafft der Mann aus Hildesheim keineswegs einen an Bedingungen geknüpften Leistungsbezug ab, sondern setzt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2019 um. Karlsruhe hatte damals entschieden, dass monatelange Minderungen um 60 Prozent oder mehr mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Selbst der langjährige Vorsitzende des Sachverständigenrats, Bert Rürup, sieht in einem „Handelsblatt“-Kommentar „gute Gründe, Stellschrauben neu zu justieren“, pocht aber grundsätzlich auf eine bedarfsgeprüfte Grundsicherung. Aus guten Gründen.
Das Kernargument der Unterstützer eines Grundeinkommens lautet, dass die Digitalisierung künftig Millionen von Arbeitsplätzen kosten wird und künftig nicht mehr ausreichend Arbeitsplätze für alle zur Verfügung stehen. Diese These hat sich aber schon bei der Einführung der maschinellen Webstühle als falsch erwiesen. Sie ist seitdem auch nicht richtiger geworden.
Digitalisierung vernichtet Arbeitsplätze, sie wird aber auch neue Beschäftigung schaffen. Nicht nur in der Programmierung und Steuerung intelligenter Robotersysteme, die künftig einen großen Teil der Routineaufgaben erledigen werden. Schon heute herrscht in vielen technischen Berufen und auf dem Pflegesektor ein erheblicher Fachkräftemangel, der durch den demografischen Wandel verschärft wird. Das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben im laufenden Jahrzehnt wird höhere Steuern und Sozialabgaben zur Folge haben.
Um eine weitere, teure Sozialleistung zu finanzieren, müsste diese auch von der leistungsbereiten Erwerbsbevölkerung akzeptiert werden – mit entsprechenden Steuersätzen. Das ist allerdings kaum zu erwarten. Die Schweiz hat sich bereits im Jahr 2016 deutlich gegen die Einführung eines Grundeinkommens ausgesprochen. 78 Prozent lehnten ein solches Modell ab. Und auch im Vorreiterland Finnland sind alle Pläne, eine solche Sicherung einzuführen, inzwischen ad acta gelegt worden. Das hat sich allerdings noch nicht bis zur Grünen-Bundestagsfraktion herumgesprochen. Die forderte zu Jahresbeginn eine monatliche Garantiesicherung in Höhe von 600 Euro ohne Gegenleistung.
Hinter den Forderungen nach einer bedingungslosen Grundsicherung steckt eine verzerrte Vorstellung von einer sozialen Gesellschaft. Die funktioniert keineswegs nur in eine Richtung, sondern beruht auf der grundsätzlichen Übereinkunft, dass der Starke den Schwachen stützt, der Schwache aber auch nur die Stütze in Anspruch nimmt, die er benötigt. Selbstverwirklichung ist kein Feld, das außerordentlicher gesellschaftlicher Unterstützung bedarf. Dafür gibt es viele verschiedene Möglichkeiten – zum Beispiel die eines Sabbaticals. Möglicherweise könnte es sinnvoll sein, solche Auszeiten steuer- und sozialversicherungsrechtlich besser abzusichern. Es ist aber keinesfalls zu viel verlangt, für diese Freiheiten selbst vorzusorgen.
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