
Wie wird die schwarze Null in die Geschichtsbücher eingehen? Als Randnotiz, weil sie kurz aufblitzte und schnell wieder in Vergessenheit geriet? Oder als finanzpolitischer Durchbruch? Das ist noch nicht ausgemacht. Niemand weiß, ob der Nachweis eines ausgeglichenen öffentlichen Haushalts, also die Deckung der Ausgaben durch Einnahmen, dieses Jahrzehnt überleben wird. Hält die Große Koalition bis 2021, wird die schwarze Null Zankapfel bleiben. Platzt sie, könnte eine neue politische Konstellation die finanzielle Selbstdisziplin aufgeben.
Noch vor wenigen Jahren wurde die schwarze Null für eine Art Hirngespinst gehalten, quasi eine Erfindung des Bunds der Steuerzahler. Wolfgang Schäuble schuf Fakten: Die Gunst der wirtschaftlichen Entwicklung, niedrige Zinsen und steigende Steuereinnahmen, machte ihn zum „Mr. Austerität“, zum Meister der Haushaltsdisziplin: Niemand drosselte Deutschlands Schulden so wie er. 2014 legte er erstmals seit fast einem halben Jahrhundert einen ausgeglichenen Haushalt vor. Seither galt die schwarze Null als heilig, als Messlatte für jeden Bundesfinanzminister und jede Bundesregierung.
Weil die Verführungen des politischen Alltags bekannt sind, legten sich Bundestag und Bundesrat selbst Fesseln an. 2009 wurde die Schuldenbremse in der Verfassung verankert, laut dem damaligen SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück handelte sich um eine „Entscheidung von historischer Dimension“. Olaf Scholz (SPD) sagte 2011, damals Hamburgs Bürgermeister, sie trage „letztendlich dazu bei, dass die Politik von der Droge Schulden wegkommt“.
Davon will die SPD von heute nichts mehr wissen. Zum Aufbruch „in die neue Zeit“ gehört – neben einer Hartz-IV-Reform, einer Vermögenssteuer und einer Mietendeckelung – die Überwindung der schwarzen Null als Anspruch. Die CDU dagegen hat Haushaltsdisziplin neuerdings zu ihrem heiligen Gral erhoben, der mit Zähnen und Klauen verteidigt werden will. Die Christdemokraten twitterten Ende November zu einem Bild von einer schwarzen Null: „Ja, wir gestehen, wir haben einen kleinen Fetisch: Solide Finanzen ohne neue Schulden! Das ist praktizierte Generationengerechtigkeit! Und es ist die beste Voraussetzung für Investitionen in die Zukunft.“
Doch auch in der CDU wehte einst ein anderer Wind: Über den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl berichtete der „Spiegel“: „Wirtschaftliche Vernunft ordnete er politischem Kalkül unter.“ In seiner Amtszeit stieg das Staatsdefizit steil an. Dafür verantwortlich waren die Investitionen in den neuen Bundesländern – bei gleichzeitigen Steuergeschenken.
Die schwarze Null ist kein Fetisch, sie ist ein dogmatisch aufgeladenes Vehikel der Auseinandersetzung. Sie steht stellvertretend für den künstlichen Konflikt in der Großen Koalition. Die vermeintlich neue SPD und die alte CDU trennt nichts, was nicht zu überwinden wäre. Deshalb muss ein Streitpunkt her, bei dem sich nur schwerlich Kompromisse finden lassen. Die schwarze Null ist der Grenzstein, an dem sich CDU und SPD (unter)scheiden – zu einer Zeit, wo der Bund über so viel Überschüsse und Ausgabereste verfügt, dass er Bremerhaven problemlos eine neue „Seute Deern“ spendieren kann. Es geht nicht um Millionen Euro, es geht ums Prinzip, um Moral, um Imagepflege.
Unterdessen zeigt das Beispiel Bremen wie durch ein Brennglas, dass weder mehr Schulden noch mehr Investitionen zwangsläufig zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen. Was der SPD auf Bundesebene heute vorschwebt, wurde in Bremen durch die Große Koalition durchexerziert. Statt Schulden zu tilgen, wurden Milliarden in die Infrastruktur investiert. Umfängliche Schattenhaushalte änderten nichts an der hohen Arbeitslosen- und Armutsquote. Die Zinslast strangulierte bremische Haushalte in einem Maß, dass weder das Jugendamt noch soziale Einrichtungen von Einsparungen verschont blieben. Es war die Schuldenbremse, die eine Kehrtwende erzwang.
Die neue SPD wird Mühe haben, den Konsolidierungskurs zu schleifen. Die Grünen sind verhandlungsbereit, die Linken seit jeher gegen diese Form des Maßhaltens. Für eine Zwei-Drittel-Mehrheit reicht das nicht, die Schuldenbremse ist bombenfest in der Verfassung verankert. In Bremen ist sie sogar ein Fels in der politischen Brandung. Sie wurde zusätzlich in die Landesverfassung aufgenommen und im rot-grün-roten Koalitionsvertrag als maßgeblich benannt. Doppelt abgesichert hält besser – offenbar hat man geahnt, dass die finanziellen Verführungen im Laufe der Wahlperiode riesengroß werden können.
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