
Dennis Heineking hat die Bilder aus dem Frühjahr noch genau vor Augen. Überall im Land wurden plötzlich Desinfektionsmittel benötigt. In der Gastronomie, in Supermärkten, in Fitnessstudios und in Schulen. In Krankenhäusern und Pflegeheimen gingen die Vorräte zur Neige. Alles musste jetzt desinfiziert werden wegen dieses heimtückischen Virus, das die Welt damals erst kennenlernte. Der Griff am Einkaufswagen wurde besprüht, die Klinke an der Tür geputzt, der Handlauf an der Rolltreppe und das Trainingsgerät im Fitnessstudio.
Also entschied die Firma Treox, zu deren Geschäftsleitung Heineking gehört: „Wir fahren unsere Produktion hoch.“ Treox stellte seine Desinfektionsmittel fortan jedem zur Verfügung, der in jenen Tagen Bedarf hatte. Eigentlich werden Treox-Desinfektionsmittel in großem Stil in Schlachtereien eingesetzt, um Maschinen und Geräte zu reinigen, in der Landwirtschaft, um Ställe zu desinfizieren zum Schutz vor Bakterien, Viren, Pilzen und Sporen. Auch in Kläranlagen und zur Trinkwasseraufbereitung kommen Treox-Produkte zum Einsatz. Doch dann fragten mit einem Male Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Hotels oder Hilfsorganisationen nach.
Heineking erinnert sich noch gut daran, wie sie damals ihr Desinfektionsmittel in Fässer abfüllten, die 1000 Liter fassten. Eine Katastrophenschutzorganisation schickte einen Lkw zum Firmensitz nach Landesbergen nahe Nienburg, um das kostbare Gut abzuholen. Das ist jetzt mehr als ein halbes Jahr her. „Die Nachfrage ist zurückgegangen“, sagt Heineking.
Inzwischen sind die Lager der Hersteller und der Kunden aufgefüllt. Sonderabfüllungen nimmt Treox trotzdem noch vor, nur in ganz anderer Größenordnung jetzt. Statt in Fässer kommt das Desinfektionsmittel nun in Flakons. „Wir glauben, dass Desinfektionsmittel zu einem Lifestyle-Produkt werden“, sagt Heineking. Das Fläschchen für die Hand- und Hosentasche, so die Annahme, wird die Menschen in den nächsten Monaten und Jahren begleiten zum Schutz vor dem aktuellen und vielleicht dem nächsten Virus.
Dass sich das Bewusstsein der Menschen in Sachen Handhygiene nachhaltig verändert, erwartet auch Klaus Scholz. Gemeinsam mit zwei Partnern betreibt der Apotheker Niederlassungen in der Neustadt, in Huchting, im Einkaufspark Duckwitz und in Stuhr-Varrel. 3000 bis 4000 Liter Desinfektionsmittel hätten sie in den ersten Monaten der Pandemie verkauft, sagt Scholz. Der Gesetzgeber hatte es Apotheken extra erleichtert, Desinfektionsmittel selbst herzustellen. Bis April 2021 ist die Ausnahmeregelung kürzlich verlängert worden. „Wir dürfen noch“, sagt Scholz, der auch Präsident der Apothekerkammer Bremen ist, „aber es ist nicht mehr notwendig.“
Die Hersteller haben damals auf das knappe Angebot relativ schnell reagiert und ihre Produktion hochgefahren. Anfangs hatten auch noch branchenfremde Unternehmen wie Jägermeister, Beck’s oder Klosterfrau Healthcare, einst Klosterfrau Melissengeist, Alkohol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln gespendet oder gleich selbst produziert. Das Statistische Bundesamt hat gerade ermittelt, dass die Produktion von Desinfektionsmitteln in der Zeit von Januar bis September 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent gestiegen ist, stärker noch als die Herstellung von Nudeln und Toilettenpapier. Scholz selbst stellt das fest, wenn er in Drogeriemärkten in die Regale schaut.
„Sonst gab es Sterilium und Sagrotan“, sagt er. Heute dagegen umfasst das Angebot nicht selten mehr als ein Dutzend Produkte. Fast so selbstverständlich wie die Zahnbürste und die Körperlotion gehört das Desinfektionsmittel inzwischen in die Pflegeserien der Anbieter. Im Prinzip gibt es fast nichts, was es nicht gibt, vor allem bei den Duftnoten: Zedernholz und Pinie mit einem Hauch von Mandarinenschale, Rosmarin, Fenchel und Lavendel.
Die Firma Treox ist dabei, die ersten Prototypen an Kunden und Unternehmen zu verschicken, die ihren Mitarbeitern damit eine Freude machen wollen. Das Design beschreibt Heineking als „elegant“, die Farbe Petrol, also grünblau, als „angesagt“. Das Format einer Checkkarte hat das Fläschchen, und als 40-Milliliter-Version kommt es auch noch auf den Markt. Eine Karriere im Schnelldurchgang: vom knappen Gut zum Lifestyle-Accessoire.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.