
Wer an niedersächsischen Grundschulen nicht am Religionsunterricht teilnehmen wollte, wurde bisher in die Betreuung gesteckt, während die Anderen von der Jungfrau Maria, dem heiligen Geist und der Kreuzigung Christi lernten. Damit soll jetzt Schluss sein, denn künftig wird das Fach Werte und Normen auch an Grundschulen Ersatzfach. Ein längst überfälliger Schritt – und trotzdem: der Religionsunterricht gehört abgeschafft.
Der von katholischer und evangelischer Kirche, sowie von Islamverbänden organisierte Religionsunterricht verhindert den so bitter nötigen interreligiösen Dialog. In Zeiten, in denen jedes Jahr fast 2000 antisemitische Angriffe verzeichnet werden, in denen von der „Islamisierung des Abendlandes“ schwadroniert und vor dem Verlust der „christlichen Leitkultur“ gewarnt wird, wird klar, wie sehr es an Verständnis für Menschen anderen Glaubens fehlt. Und da reicht es auch nicht, dass im christlichen Religionsunterricht ein paar Schulstunden den Pilgerfahrten nach Mekka oder dem Sabbat an der Klagemauer gewidmet werden. Solange die Religionen Anderer etwas Abstraktes bleiben, solange Schülerinnen und Schüler übereinander statt miteinander über Glauben und Nicht-Glauben sprechen, kann Verständnis nur schwer gelingen.
Doch die Diskussion um Sinn und Unsinn von Religionsunterricht hat noch eine weitere Dimension: Immer wieder werden Lehrerinnen und Lehrer angeprangert, weil sie im Unterricht politisch Partei ergreifen, denn das Gesetz verpflichtet sie zu politischer Neutralität. Wie rechtfertigt sich dann aber, dass Schule ausgerechnet beim Thema Religion ganz und gar nicht neutral auftritt, dass der Religionsunterricht laut Grundgesetz gar in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften liegt? Sind katholische und evangelische Kirche, die sich bis heute schwer damit tun, Missbrauchsskandale aufzudecken und aufzuarbeiten und Islamverbände, die darauf verweisen, dass Homosexualität im Islam verboten ist, wirklich diejenigen, denen wir die religiöse Wertebildung anvertrauen möchten?
Was wir stattdessen brauchen, ist ein überkonfessioneller Religionskunde- und Ethikunterricht für Alle. Ein Fach, das Raum gibt, um miteinander und voneinander über den eigenen Glauben und den der Anderen zu lernen und Raum gibt für Reflexion über eigene und gesellschaftliche Werte und Normen. Ein Fach, das Kinder und Jugendliche in die Lage versetzt, interreligiösen Dialog zu führen, respektvoll und tolerant miteinander umzugehen und damit Islamophobie, Antisemitismus und rassistische Ressentiments im Keim erstickt.
Unsere Gastautorin ist Sprecherin der Grünen Jugend Niedersachsen. Die 21-Jährige studiert Medizin in Hannover. Als Schülerin war sie Vorsitzende der Landesschülervertretung in Hessen.
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