
Herr Schmidt, in Ihrem Berliner Bundestagsbüro steht im Sekretariat ein Bockwurstwärmer. Wie oft benutzen Sie den?
Uwe Schmidt:Den benutzen wir hier immer, wenn’s wieder später wird. Ich kenne das so aus dem Hafen. Da gab’s in der Halben, also in der Schichtpause, ne Dicke aus ’m Wasser. Die Tradition habe ich für Berlin beibehalten.
Sie haben Ihren Wahlkreis Bremen II-Bremerhaven 2017 direkt gewonnen. Jetzt geht das Wahljahr los. Kandidieren Sie ein zweites Mal für den Bundestag?
Ja. Ich kandidiere wieder für den Wahlkreis 55. In den drei Jahren, die ich hier in Berlin bin, habe ich mich ganz gut etabliert im Bundestag, auch dank meiner Mitarbeiter. Wir haben schon einiges für unseren Wahlkreis geschafft, die Arbeit würde ich gern fortsetzen. Mich haben einige angesprochen, und ich habe gesagt: Jo, ich versuche noch mal, das Direktmandat zu holen.
Der Parlamentsbetrieb schleift jeden Abgeordneten rund. Was tun Sie dafür, dass Sie nicht vergessen, wer Sie gewählt hat?
Der Vergleich mag auf manche zutreffen. Aber wer mich kennt, weiß: Ich habe so viele Ecken, da gäbe es viel zu schleifen. Ich bin so, wie ich bin, dafür bin ich gewählt worden. Und zwar, weil ich mich nicht nur für die Interessen der Beschäftigten einsetze, sondern für meinen ganzen Wahlkreis.
Sie sind einer von zwölf unter den 709 Abgeordneten ohne akademischen Hintergrund. Warum ist der Anteil so gering?
Ich war schon in der Bremischen Bürgerschaft der einzige Hafenarbeiter. Aber ich sage meinen Kollegen immer, wenn sie was verändern wollen, müssen sie sich beteiligen. Und wer sagt, wir können ja doch nichts tun, dem sage ich: Jungs, guckt mich an. Wer mir vor fünf Jahren gesagt hätte, Uwe, du kommst in den Deutschen Bundestag – dem hätte ich geantwortet: Ja genau, schenk mir auch mal einen ein. Da sind andere Berufsgruppen pfiffiger. Wenn ich mir ansehe, was hier so an Juristen unterwegs ist – da müssen wir uns an die eigene Nase fassen und uns um politische Ämter bewerben.
Aktuell streiten sich die Koalitionäre über die Impfpolitik. Ihre SPD fällt damit auf, Entscheidungen hart zu kritisieren, die sie am Kabinettstisch mitentschieden hat. Ist das schon Wahlkampf?
In einer Koalition zu sein, heißt nicht, dass man einer Meinung ist. Am Kabinettstisch spielen Mehrheiten die Rolle. Und wenn wir in unserer Fraktion darüber lebhaft diskutieren, müssen unsere Spitzenleute im Kabinett die richtigen Fragen stellen. Es ist durchaus berechtigt, dass wir als SPD an den Bundesgesundheitsminister Fragen stellen.
Eine Frage zum Wahlkreis. Aktuell wird die „Seute Deern“ abgewrackt. Was bedeutet Ihnen dieses Schiff?
Für uns sind die Traditionsschiffe das, was für die Bayern ihre Schlösser sind. Die „Seute Deern“ hat immer eine große Bedeutung für die Stadt gehabt. Und Gott sei Dank beteiligt sich der Bund an dem neuen Konzept, das wir jetzt mit Uwe Beckmeyer auf den Weg gebracht haben.
Unter anderem durch Ihre Fürsprache hat der Haushaltsausschuss des Bundestages 46 Millionen Euro für die Rekonstruktion des Traditionsseglers bereitgestellt. Nun soll die „Najade“ gebaut werden. Ist das Geld nicht zweckgebunden gewesen?
Die Bundesmittel sind projektgebunden. Der Haushaltsausschuss hat im November bestätigt, dass die 2019 bereitgestellten 46 Millionen Euro für die Sanierung der „Seute Deern“ auch nach der tragischen Havarie des historischen Seglers erhalten bleiben. Die Mittel dürfen für ein neues Konzept zum Neubau eines musealen Segelschiffes verwendet werden. Übrigens mit einer Förderquote von 100 Prozent. Wenn wir Geld in den Wahlkreis holen können, ob nach Bremerhaven oder Bremen-Nord, freuen wir uns natürlich. Ich erwarte jetzt, dass das umgesetzt wird.
Ihr Wahlkreis gilt als das, was man strukturschwach nennt oder arm. Wird das den Menschen gerecht, die dort leben?
Natürlich haben Großstädte alle ihre Probleme, da sollten wir uns nichts vormachen. Aber wenn wir uns die Zahl der versicherungspflichtigen Arbeitsplätze so angucken, stehen wir gut da. Wir haben hier den zweitgrößten deutschen Seehafen. Die Lürssen-Werft ist der Schiffbaustandort überhaupt. Mit Käpt’n Iglo haben wir einen der bedeutendsten Lebensmittelstandorte in Europa. Wenn manche sagen: In Bremerhaven fliegen die Möwen auf ’m Rücken, dann ist das Quatsch. Wir müssen darum kämpfen, dass der Bund Bremen und Bremerhaven besser in den Blick nimmt. Dafür bin ich hier, und dafür kämpfe ich mit der SPD.
Der Gesamthafenbetriebsverein steckt in Schwierigkeiten. Sollte der Bund in dieser Situation helfen?
Wir sind sozialpartnerschaftlich organisiert. Das ist eine Besonderheit, die Bremen immer stark gemacht hat: dass wir verlässlich miteinander umgehen. Da macht es mir Sorgen, wenn jetzt der eine oder andere meint, Veränderungen herbeiführen zu wollen. Gerade Bremen-Stadt müssen wir als Hafenstandort erhalten, dazu gehört die Sozialpartnerschaft. Dafür müssen wir uns alle anstrengen, auch die Seite der Unternehmervertreter. Das ist das Thema, was ich hier im Bund nach vorne trage. Der Seehafen trägt entscheidend zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik bei. Da brauchen wir die entsprechenden Hilfen aus dem Bund und dürfen nicht so hanseatisch zurückhaltend sein.
Die Corona-Pandemie zeigt deutlicher denn je, wo es im Land hakt. Sie haben kürzlich kostenlose Masken verteilt. Warum?
Wissen Sie, ich bin Hafenarbeiter. Wenn Arbeit da ist, muss sie getan werden. Man kann lange darüber reden, was man wann und wie macht. Besser ist aber, man fängt damit an. Wir haben gesehen, dass es Bedarf gibt. Mein Team und ich haben das unter Pandemiebedingungen organisiert, und das finde ich selbstverständlich. Nicht so viel sabbeln, sondern machen.
Noch eine Frage zum Verhältnis von Bremerhaven und Bremen. An welchem Punkt steht diese etwas verzwickte Beziehung aktuell?
Bremerhaven ist eine unabhängige Stadt. Wir haben einen eigenen Magistrat, eine eigene Polizei und natürlich unseren Bremerhavener Arbeiterstolz. Ohne den Bremern zu nahe treten zu wollen, gibt es immer mal wieder Befürchtungen unsererseits, dass wir, sagen wir, hanseatisch unterkühlt betrachtet werden. Unsere Politiker stellen sich aber inzwischen selbstbewusst hin und sagen: Bremerhaven dürft ihr nicht vergessen. Dass wir kein vernünftiges Miteinander haben, kann ich aber nicht sehen. Das hat eher was Sportliches: Wir spornen uns gegenseitig an und finden am Ende immer tragbare Lösungen.
Wenn Sie auf Ihre Jahre im Parlament zurückblicken – wie viel Macht hat der Bundestag in einem föderalen System?
Ich weiß nicht, ob Macht das richtige Wort ist. Ich würde sagen, wir tun hier im Bund das Notwendige. Wir bearbeiten übergeordnete Themen, die für die Länder und Kommunen wichtig sind. Vor Ort muss das die Politik gestalten, damit Kommunen und Gemeinden ihren Aufgaben gerecht werden können.
Das Gespräch führte Anja Maier.
Uwe Schmidt (54) ist seit 2017 Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag. Schmidt ist Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Von 2015 bis 2017 war er Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft. Der gelernte Kfz-Mechaniker und Hafenfacharbeiter ist verheiratet und Vater eines Kindes.
Wrack des Segelschiffs wird von Asbest gesäubert
Ein Brand vor zwei Jahren war der Anfang vom Ende für die „Seute Deern“ in Bremerhaven: Mittlerweile liegt das frühere Wahrzeichen der Stadt auf Sand und wird abgewrackt. Zwei Teams seien beschäftigt, den Rumpf von giftiger, asbesthaltiger Schiffsfarbe zu befreien, sagte ein Sprecher des Hafenbetreibers Bremenports. Sie arbeiteten sich langsam vom Bug zum Heck vor. Erst im nächsten Schritt werde das Schiff zerlegt. Zum Umweltschutz finden die Arbeiten unter Plastikplanen statt.
Der Dreimaster diente in Bremerhaven über Jahrzehnte als Restaurant, eigentlich hätte 2019 sein hundertjähriges Jubiläum gefeiert werden sollen. Doch in der Nacht auf den 16. Februar brannte es in der Küche. Später im Jubiläumsjahr sank die „Seute Deern“ (plattdeutsch für Süßes Mädel), weil Lenzpumpen versagten. Experten stellten fest, dass der Segler nicht mehr zu retten war.
Als neuen Hingucker im Museumshafen soll die Stadt einen Nachbau der „Najade“ bekommen. Sie war 1888 als erster großer Frachtsegler mit Stahlrumpf auf der Tecklenborg-Werft in Bremerhaven vom Stapel gelaufen. Die „Najade“ wurde 1917 von einem deutsche U-Boot torpediert und versenkt.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.