
Es gibt erste Antworten auf die große offene Frage im Zusammenhang mit der Impfkampagne: Schützen die Spritzen nur vor einer fühlbaren Erkrankung oder auch vor verdeckten Verläufen und damit einer möglichen Weitergabe? Daten aus Israel zeigen nun, dass zwei Dosen des Biontech-Impfstoffs tatsächlich in neun von zehn Fällen eine Infektion unterbinden können. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Geimpften wären damit für das Virus nicht mehr erreichbar. Sie bilden in der Gesellschaft Brandmauern, die das Virus stoppen.
Das israelische Gesundheitsministerium hat die Daten zwar bisher nur unter Vorbehalt öffentlich gemacht. Wenn die Aussage zur Ansteckung durch Geimpfte stimmt, handelt es sich jedoch um eine außerordentlich gute Nachricht. Sie sagt viel über den weiteren Verlauf der Pandemie. Wenn die Impfung weiter Infektionen zulässt, werden die Leute zwar nicht krank, doch die Pandemie läuft verdeckt weiter. Eine Impfung, die eine Infektion in den meisten Fällen von Anfang verhindert, wirkt dagegen als starker Dämpfer für das Pandemiegeschehen.
Sars-CoV-2 verursacht im Naturzustand pro Wirt rund drei Neuinfektionen. Daher reicht es, wenn sich das Virus an zwei Dritteln der Bevölkerung die Zähne ausbeißt, damit die Fortpflanzungsrate R von selbst unter eins sinkt – ohne Lockdown, ohne Masken, bei offenen Geschäften, Schulen und Kinos. Um das zu erreichen, müssen bei den Eigenschaften des Biontech-Impfstoffs etwas mehr als 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein.
Die israelischen Forscher hatten eine Beobachtungsgruppe geimpfter Personen nicht nur auf merkliche Symptome überprüft, sondern durch regelmäßige Antikörper-Tests auch auf die Krankheit selbst. Israel hat sich gut für so eine Studie geeignet: Es gab viele Geimpfte, aber wegen hoher Infektionszahlen auch noch reichlich Gelegenheit, sich anzustecken. Die Hälfte der Bewohner Israels haben inzwischen ihre Impfung erhalten.
Die Daten aus Israel zeigen insgesamt noch einmal die hohe Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen. Das Biontech-Vakzin verhindert nach Beobachtung der Forscher dort 99 Prozent der schweren Erkrankungen. Die Wirksamkeitsrate erreicht zudem schon nach der ersten von zwei Dosen 85 Prozent, wie aus einer Studie an geimpften Krankenhausmitarbeitern hervorgeht, die in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschienen ist. Damit könnte das Biontech-Produkt schon nach der ersten Spritze bereits so wirksam sein wie manch anderes Präparat erst nach zwei Gaben.
Der Chef des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, lehnt eine Änderung der Abstände zwischen den beiden Dosen jedoch ab. Der Impfstoff sei für das formelle Zulassungsverfahren mit zwei Dosen getestet und zugelassen worden. Es sei unklug, voreilig und ohne weitere Forschung von dem ermittelten Schema abzuweichen. Auch britische Ärzte sprachen sich in „The Lancet“ gegen eine verzögerte zweite Dosis aus.
Etwas überraschend kam derweil die Erkenntnis von Biontech, dass der Wirkstoff sich auch bei minus 15 Grad recht lange hält – er braucht also gar nicht unbedingt die ultratiefen Temperaturen, die bisher genannt waren. Diese waren aber der Grund dafür, ausgefeilte Kühltransportketten aufzubauen. Die vermeintlichen Temperaturerfordernisse waren auch ein Mitgrund dafür, die Impfzentren aufzubauen. In Wirklichkeit scheint ein handelsüblicher Tiefkühler für die Lagerung über zwei Wochen völlig auszureichen. „Die eingereichten Daten könnten den Impfzentren eine noch größere Flexibilität bieten“, erklärte Biontech-Chef Ugur Sahin am Freitag.
Die Fallzahlen in Deutschland indes haben am Wochenende eine beunruhigende Trendwende hingelegt. Nachdem sie am Freitag noch auf ähnlicher Höhe seitwärts liefen, sind sie am Wochenende wieder gestiegen. Die Aussagekraft der Sonntagsdaten ist zwar begrenzt, die Abwärtsbewegung ist aber eindeutig gebrochen. „Die dritte Welle beginnt jetzt“, twitterte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Die Frage ist nur, wie schnell und wie stark.“
Der Molekularbiologe und Teilnehmer an Expertenrunden der Bundesregierung, Rolf Apweiler, sprach in der „Welt“ von zwei gegenläufigen Entwicklungen. Die alten Virusvarianten hätten zu einer Senkung der Inzidenz geführt. Dort, wo neue Virusvarianten schon dominierten, gingen die Zahlen aber nach oben. „Wenn man da nicht überall in diesen Gegenden, wo es wirklich stark ansteigt, richtig auf die Bremse tritt wie in Flensburg, dann fliegt die Lage einem um die Ohren.“
Laut Robert Koch-Institut (RKI) wurden zum Sonntag 1500 mehr Neuinfektionen durch die Gesundheitsämter gemeldet als eine Woche vorher. RKI-Präsident Lothar Wieler rief die Menschen zum Durchhalten auf: „Falsche Versprechungen helfen niemandem, und es ist ganz einfach so, dass wir diese Maßnahmen, die wir kennen, dass wir die eine gewisse Zeit noch durchhalten müssen.“
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