
Frau Winter, Sie haben bei der Wahl in den CDU-Bundesvorstand 735 Stimmen erhalten und damit das sechstbeste Ergebnis von 26 Beisitzern. Wie haben Sie das geschafft?
Wiebke Winter: Ich glaube, das hat drei Gründe. Ich habe die richtigen Themen gesetzt: Ich möchte als junge Frau die großen Krisen unserer Zeit ansprechen und in der CDU mitreden, wie wir sie bewältigen können – die Klimakrise, Digitalisierung, der Zusammenhalt in Europa, die Implosion der Sozialsysteme durch den demografischen Wandel und die drohende Schuldenkrise. Ich möchte, dass wir als CDU mehr junge Frauen für Politik begeistern. Zudem hatte ich wahnsinnig starken Rückhalt von der Jungen Union und Unterstützung von der CDU Bremen. Und es war der richtige Zeitpunkt, ich glaube, ich bin die jüngste Frau, die je in den Bundesvorstand gewählt wurde. Das wäre vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen wäre.
Ist Jugend an sich schon eine Qualifikation für die Parteiarbeit?
Nein. Weder Jugend noch das Geschlecht ist eine Qualifikation, aber Alter eben auch nicht. Ich würde nie sagen, dass ich besser im Bundesvorstand aufgehoben bin als jemand anders. Aber ich bringe eine andere Lebenswirklichkeit mit und einen anderen Blick auf die Welt, vielleicht auch mehr Idealismus als andere.
Als 24-Jährige bringen Sie dafür weniger Lebens- und damit auch Politikerfahrung mit, beispielsweise als die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann.
Das stimmt. Aber jüngere Menschen stehen vor anderen Lebensentscheidungen. Schon allein damit bringen sie einen besonderen Blickwinkel mit. Außerdem muss die CDU als große Volkspartei divers aufgestellt sein. Ich bin überzeugt davon, dass wir die besten Wahlergebnisse erzielen können, wenn wir die Lebensrealität möglichst vieler Menschen einbeziehen. Es kommt auf den richtigen Mix an, und den hatten wir vor dieser Bundesvorstandswahl so noch nicht.
Trotzdem war die CDU auf Bundesebene ziemlich erfolgreich in den vergangenen Jahren, sie ist seit 2005 die stärkste Kraft im Bundestag.
Das stimmt, und ich möchte dazu beitragen, dass wir noch erfolgreicher werden.
Sie haben auf Bremer Ebene für einen Generationenwechsel gesorgt, gewissermaßen auf eine etwas rabiate Art. Elisabeth Motschmann, seit 2012 Bundesvorstandsmitglied, die auch kandidierte, wurde nicht wiedergewählt.
Ich weiß nicht, was daran rabiat ist. Elisabeth Motschmann und ich haben kandidiert, wir haben den Delegierten also ein Angebot unterbreitet. Wahlen gehören zu einer Demokratie, wer kandidiert kann sich nicht sicher sein, dass er auch gewählt wird. Ich war mir auch nicht sicher.
Solidarität unter Frauen sieht anders aus.
Ich bin nicht gegen Elisabeth Motschmann angetreten, sondern mit ihr. Der neue Bundesvorstand ist mit 13 von 26 Sitzen deutlich weiblicher geworden, im Übrigen ganz ohne Quote. Ich glaube, dass neue Köpfe auch neue Gedanken in solch ein Gremium einbringen können und damit für die stetige Selbsterneuerung der Partei sorgen.
Bremer Solidarität sieht anders aus.
Ich selbst habe nicht einmal mit abgestimmt, ich habe also nichts dazu beigetragen, dass Frau Motschmann nicht wiedergewählt worden ist. Ich hätte sehr gerne mit ihr im Bundesvorstand zusammengearbeitet.
Warum so ungeduldig? Sie haben doch noch zig Jahre Zeit, um in der CDU Karriere zu machen.
Worauf soll ich warten? Es ist mir jetzt wichtig, mich zu engagieren. Ich habe jetzt Themen, die ich gerne bearbeiten, über die ich diskutieren will. Ich sehe jetzt Probleme, die wir dringend anpacken müssen. Vielleicht ist es in einigen Jahren zu spät.
Jung und Frau zu sein, scheint momentan zumindest hilfreich bei einer politischen Karriere. Man könnte es das Lencke-Wischhusen-Phänomen nennen, die 2015 als FDP-Spitzenkandidatin in Bremen bundesweit von sich reden gemacht hat.
Das will ich nicht abstreiten. Viele Menschen haben erkannt, dass junge Menschen noch mehr eingebunden werden müssen und dass sie das auch einfordern – das sieht man ja zum Beispiel auch bei Fridays For Future.
Sie repräsentieren allerdings eine Altersgruppe, die in der deutschen Bevölkerung in der Minderheit ist. Um die 70 Prozent der Bundesbürger sind 30 Jahre und älter.
Ich bin auch nur ein Mitglied des Bundesvorstands. Der überwiegende Anteil der Mitglieder des Bundesvorstands ist älter als 50. Mein Alter ist alles andere als überrepräsentiert, keine Sorge.
Der „Spiegel“ hat vor wenigen Tagen über Sie und fünf weitere junge Christdemokratinnen berichtet. Überschrift: „Was die Generation Merkel mit der CDU plant“. Was planen Sie denn?
Die CDU muss sich mit der Gesellschaft wandeln. Da sind wir auf einem guten Weg, aber es reicht meiner Meinung nach noch nicht. Ein Beispiel ist der Klimaschutz. Da sind wir als CDU Bremen ganz weit vorne mit der Klima-Enquetekommission, die wir initiiert haben. Aber das reicht noch nicht, nirgendwo. Es gibt noch mehr Themen, die wir unbedingt angehen müssen und bei denen ich von Angela Merkel etwas enttäuscht bin, weil sie nicht konsequent angegangen wurden. Dazu gehört eine umfassende Rentenreform, die dafür sorgt, dass mein Jahrgang in ungefähr 45 Jahren in Rente gehen kann und sein Auskommen hat.
Sie gehörten vor der Wahl am Sonnabend zum Team Röttgen, jetzt müssen Sie Team Laschet sein. Geht das quasi über Nacht?
Norbert Röttgens Vorhaben für die Partei haben mich besonders angesprochen. Das heißt ja nicht, dass ich mich nicht hinter Armin Laschet stellen kann. Ich fand seine Rede beim Parteitag großartig. Wir hatten das Privileg, zwischen drei guten Kandidaten auswählen zu dürfen.
Wer soll Kanzlerkandidat werden? Eine Frau, einerlei welchen Alters, ist nicht in Sicht.
Sowohl Armin Laschet als auch Markus Söder haben große Qualitäten. Ich kann mir auch Jens Spahn sehr gut als Kandidaten vorstellen. Momentan ist das noch nicht die Frage, mit der wir uns beschäftigen.
Jens Spahn wäre mit dann 41 auf jeden Fall der Jüngste.
Das machte eine Kandidatur meiner Meinung nach auch attraktiv.
Als Angela Merkel Kanzlerin wurde, waren Sie neun Jahre alt. Kann die CDU ihren Rückzug schadlos überstehen, gerade in einer solch schweren Krise?
Angela Merkel ist eine wesentliche Kraft in der CDU, und mit ihr endet eine Ära. Aber die CDU besteht nicht nur aus Angela Merkel. Wir werden dazu gezwungen, uns neu aufzustellen, und das bietet eine große Chance, manches zu hinterfragen, neue Themen zu besetzen und uns neu auszurichten.
Das Gespräch führte Silke Hellwig.
Wiebke Winter wurde am Samstag als jüngste Beisitzerin in den CDU-Bundesvorstand gewählt. Die 24-jährige Juristin ist Landesvorsitzende der Jungen Union, Deputierte der Bremischen Bürgerschaft und vom CDU-Landesvorstand als Direktkandidatin für die Bundestagswahl vorgeschlagen. Sie tritt im Wahlkreis 55, Bremen II - Bremerhaven, an.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.