
Die Freier staunten nicht schlecht, als plötzlich knapp 900 Beamte im Edelbordell „Artemis“ auftauchten und es „schlagartig besetzten“, wie es Polizeisprecher Stefan Redlich ausdrückte. Ob Saunen, Swimmingpool, Kinos oder Zimmer der Prostituierten – jeder Winkel des etwa 3000 Quadratmeter großen Etablissements wurde durchkämmt und zahlreiche Unterlagen und offenbar viel Geld sichergestellt. Das helle, schuhkartonförmige Gebäude mit seinen rötlich leuchtenden Schriftzügen war zeitweise von Blaulicht regelrecht umzingelt.
An der Großrazzia im Berliner Bezirk Charlottenburg waren neben Polizei und Staatsanwaltschaft auch Zoll und Steuerfahnder beteiligt. Den Betreibern und weiteren Verdächtigen, die aus dem Rockermilieu stammen sollen, wird Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und schwerer Menschenhandel vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft sprach von Vorwürfen der organisierten Kriminalität. Oberstaatsanwalt Andreas Behm zog einen Vergleich mit dem Mafia-Gangster Al Capone im Chicago der 1920er-Jahre, der wegen Steuerhinterziehung angeklagt wurde, obwohl sich die eigentlichen Verbrechen auf einer viel massiveren Ebene abgespielt hatten.
„Artemis“ rühmt sich selbst als Familienbetrieb
Sämtliche 212 Personen, die im Bordell am Mittwochabend angetroffen wurden, seien überprüft worden. Um die Freier, Prostituierten und Angestellten zu den Vorwürfen außerhalb des Gebäudes zu befragen, wurde für die dafür notwendigen Fahrzeuge die Halenseestraße gesperrt; auf dieser Zufahrt zur Autobahn bildeten sich längere Staus.
Im Laufe des Abends wurden in ganz Berlin weitere Geschäftsräume und Wohnungen durchsucht. Sechs Haftbefehle konnten vollstreckt werden, zwei gegen die Bordellbetreiber und vier gegen dort arbeitende Frauen. Das „Artemis“ gilt als Berlins größtes Bordell mit etlichen Wellnesseinrichtungen, in dem sich Freier den ganzen Tag aufhalten können. Das aufwendig umgebaute, ehemalige Lagerhaus liegt am äußersten westlichen Ende des Kurfürstendamms, mitten in einem Gewerbegebiet an der Stadtautobahn – citynah, schnell und anonym zu erreichen.
Die etwa 100 Frauen, die in dem Bordell ihre Dienstleistungen angeboten haben, sollen angeblich Selbstständige sein, die ihre Honorare und Arbeitszeiten selbst hätten festlegen können. Das Bordell der türkischstämmigen Betreiber bezeichnet sich als „Familienbetrieb“ und rühmt gern seine Spendenaktivitäten an Bedürftige und Obdachlose.
Verbindungen zu den Hells Angels
Tatsächlich, so Martin Steltner, der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, hätte es im „Artemis“ ein „strenges engmaschiges Reglement“ gegeben, dafür sprächen sichergestellte Dienstpläne und „stringente Anweisungen“ zu Kleidung, Preisvorgaben und ärztlichen Kontrollen. „Die Prostituierten sollen sogar Eintritt bezahlt haben müssen, wenn sie an ihren Arbeitsplatz wollten.“ Laut Hauptzollamt sind sie deshalb als Arbeitnehmer und nicht als Selbstständige einzuordnen. Die Summe nicht gezahlter Sozialbeiträge belaufe sich auf knapp 17,5 Millionen Euro, hinzu käme laut Polizei ein Schaden für den Fiskus von knapp sechs Millionen Euro.
Steltner sprach auch von „Bezügen zum Rockermilieu“. So sollen Hells Angels-Mitglieder Frauen in dem Bordell zur Prostitution gezwungen haben. Die Betreiber hätten sich offenbar „Hausdamen“ gehalten, die die Abläufe im „Artemis“ geregelt hätten. Die Staatsanwälte sagten, es gebe auch direkte Verbindungen zwischen dem Wellnessbordell „Artemis“ und der kriminellen Rockerbande Hells Angels. Prostituierte hätten für Mitglieder der Hells Angels gearbeitet. Diese Kontakte seien „sicher nicht gewaltfrei“ abgelaufen, sagte Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra. Eine Frau sei „so malträtiert“ worden, dass sie keinen Ausweg mehr gesehen habe, als sich an die Polizei zu wenden.
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