
Mit dem Kinoerfolg "Good Bye, Lenin" ist Schauspielerin Katrin Sass der entgültige Durchbruch geglückt. Im Interview mit Martin Weber spricht sie unter anderem über die neue "Weissensee"-Staffel und die DDR.
Frau Sass, die Handlung der neuen Staffel von „Weissensee“ setzt am Tag des Mauerfalls ein. Was haben Sie am 9. November 1989 gemacht?
Katrin Sass: Daran erinnere ich mich noch ganz genau: Ich stand am Abwaschbecken in meiner Wohnung in Babelsberg, als die Nachricht von der Maueröffnung verbreitet wurde. Ich bin zu meinem Mann rüber gelaufen, der an einem Drehbuch rumkritzelte, und habe gesagt: „Siegfried, ich glaube, irgendwelche Leute dürfen jetzt ausreisen, oder habe ich mich verhört?“ Da sagte er: „Nicht irgendwelche, sondern wohl die, die einen Ausreiseantrag gestellt haben.“ Als dann der berühmte Satz von Schabowski fiel, wussten wir: Alle dürfen raus, und zwar gleich. Das war die Erlösung.
Sind Sie dann gleich nach West-Berlin rüber?
Nicht sofort. Zwar haben sich die ganze Nacht Freunde und Kollegen gemeldet und die Parole ausgegeben, dass wir alle gleich rüber müssen, so schnell wie möglich auf den Ku’damm. Aber mein Mann und ich haben uns dann dafür entschieden, erst am nächsten Tag zu gehen. Da sind wir dann an die Glienicker Brücke und haben die Schlange gesehen. Da wollte ich mich aber nicht anstellen – und so sind wir erst am dritten Tag rüber.
Sie kannten den Westen ja auch bereits.
Na ja, zumindest war ich mal drüben – im Jahr 1982, als ich bei der Berlinale einen Silbernen Bären bekam, und dann im Jahr 1987 war ich noch mal mit einem Film in West-Berlin.
Haben Sie sich sehr über die Wiedervereinigung gefreut?
Gefreut ist gar kein Ausdruck, ich bin fast in Ohnmacht gefallen. Und ich freue mich auch heute noch darüber. Natürlich macht man auch die ein oder andere Einschränkung, aber ich möchte nicht bei diesem ganzen Gemeckere mitmachen, das man allenthalben so hört. Ich weiß, dass die Schere zwischen Arm und Reich sehr groß ist, aber nicht die zwischen Ost und West. Wir sind doch alle deutsch. Ich glaube, wir können stolz auf unser Land sein und das auch mal sagen. Es ist doch eine Menge passiert, und das ist großartig.
Also gehören Sie nicht zu denen, die der DDR nachtrauern?
Nein, damit habe ich überhaupt nichts am Hut. Wenn mir natürlich ein sogenannter Besser-Wessi dumm kommt und mich darüber belehren will, wie das bei uns gelaufen ist, dann werde ich schon mal aggressiv und sage: „Du musst mir jetzt beim besten Willen nicht erzählen, wie das bei uns so war.“ Aber Ostalgie ist wirklich nicht mein Ding.
Gibt’s diese Art von Wessi wirklich?
Allerdings, was glauben Sie denn. Mir sind vor allem in der Zeit nach der Wende einige davon begegnet, ob das in der eigenen Wohnung oder bei der Arbeit war. Die wollten einem erzählen, wie man was zu machen hat – lächerlich.
Wie lief es für Sie gleich nach der Wiedervereinigung?
Nicht so gut, in der allerersten Zeit kamen überhaupt keine Angebote, das hat mich dann doch überrascht. Aber die mussten die Schauspieler aus dem Osten eben erst mal entdecken. Dann ging es so langsam los, mal hier drei Drehtage bei einem „Tatort“, mal da zwei Drehtage, und irgendwann lief es dann immer besser – trotz meiner Alkoholsucht, die mich ja Ende der 90er-Jahre meinen Job als Kommissarin bei „Polizeiruf 110“ gekostet hat und die ich später dann Gott sei Dank überwunden habe.
Der Film „Good Bye, Lenin!“ machte Sie 2003 zum Star . . .
Stimmt, ich hatte zwar schon „Heidi M.“ und einen vielbeachteten „Schimanski“ mit Götz George gedreht, aber „Good Bye, Lenin!“ war der Durchbruch.
Ein Film, der das Thema DDR anders als „Weissensee“ satirisch behandelt. In der Serie spielt die Stasi eine Hauptrolle, mit der Sie damals ja auch persönlich Ihre Erfahrungen gemacht haben, oder?
Haben wir ja fast alle im Osten. Meine Stasi-Akte hat mich dann allerdings schon umgehauen, weil ich da erfahren habe, dass ich von meiner besten Freundin bespitzelt wurde.
Haben Sie diese Person anschließend zur Rede gestellt?
Natürlich, ich habe da angerufen, und sie schrie und schrie am Telefon und meinte, sie müsste mir das erklären. Bis heute höre ich von ihr, sie möchte mit dieser Schuld nicht sterben und noch einmal die Chance bekommen, sich bei mir persönlich zu entschuldigen. Aber das schaffe ich nicht. Man soll zwar niemals nie sagen, aber bei ihr krieg ich das nicht hin.
Stimmt es, dass die Stasi auch Sie mal mit einem schicken Adidas-Trainingsanzug ködern und zur Mitarbeit bewegen wollte?
Stimmt, aber das war nicht sonderlich dramatisch. Eines Tages klingelte es plötzlich bei mir, ich habe damals in Halle gewohnt, und da stand so ein Typ vor der Tür und meinte, er wolle sich im Namen eines Fußballvereins für einen Gesangsabend bedanken, den ich ein paar Abende zuvor in einer Kneipe gegeben hatte. Er hat mir einen Fußball mit Unterschriften, Turnschuhe und einen Trainingsanzug aus dem Westen überreicht – genau meine Größe übrigens (lacht). Ich habe ihn dann reingebeten, und er begann mich auszufragen. Das wurde mir schnell zu viel und so habe ich ihn wieder hinauskomplimentiert. Ein paar Tage später sah ich ihn dann auf der Straße, aber er guckte weg. Da war mir endgültig klar: Der war von der Stasi.
Gab es danach keine weiteren Anwerbeversuche?
Nö, die haben das nicht mehr versucht. Denen war wohl klar, dass das bei mir nichts bringt.
Das Interview führte Martin Weber.
Zur Person: Katrin Sass wurde 1956 in Schwerin geboren und war eine der populärsten Schauspielerinnen in der DDR. Nach der Wiedervereinigung spielte sie in der Krimireihe „Polizeiruf 110“ eine Kommissarin, verlor den Job aber Ende der 90er-Jahre wegen ihrer Alkoholsucht, zu der sie sich später auch öffentlich bekannte und die sie seit Langem überwunden hat. Mit dem internationalen Kinoerfolg „Good Bye, Lenin!“ feierte sie 2003 ein Comeback und war seitdem in zahlreichen Rollen in Film und Fernsehen zu sehen. Die 58-Jährige lebt in Berlin.
Die derzeit wohl beste deutsche Fernsehserie geht in eine neue Runde: Die ARD zeigt eine neue Staffel der preisgekrönten DDR-Saga „Weissensee“, die sich um eine Familie in Ost-Berlin dreht. Die sechs Folgen werden von diesem Dienstag bis Donnerstag an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils um 20.15 Uhr im Doppelpack gezeigt.
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